
Interview mit Martin Semmelrogge: „Ich spiele gerne Antagonisten“
Martin Semmelrogge gehört zu den bekanntesten Gesichtern der deutschen Film- und Theaterlandschaft. Mit seiner markanten Stimme und seinem unverwechselbaren Charme prägt er seit Jahrzehnten große Filmproduktionen wie „Das Boot“ oder „Schindlers Liste“ ebenso wie Theaterbühnen in ganz Deutschland. Im Interview erzählt er von seiner Leidenschaft für die Bad Hersfelder Festspiele, seinen aktuellen Projekten und warum er nicht auf alten Erfolgen ruhen will.
Du spielst wiederholt bei den Bad Hersfelder Festspielen. Was macht den Reiz aus?
Die Bühne ist super. Ich spiele ja hin und wieder Theater. Gerade mache ich „Warten auf Godot“ bei den Schlossspielen Hohenlimburg, und was hier in Bad Hersfeld schön ist: Ich werde bei „Shakeare in Love“ quasi nach Worten bezahlt, weil ich nur eine kleine Rolle spiele. Bei „Die 39 Stufen“ in Bad Hersfeld habe ich den Bösewicht gespielt – mit Riesen-Text. Jetzt spiele ich einen Stotterer, ein bisschen linkisch. „Shakespeare in Love“ ist ein Märchen. Es geht um Verwirrungen, Frauen und Männer, das ganze klassische Drama.
Wie findest du die Atmosphäre in Bad Hersfeld?
Die Ruine ist natürlich wunderschön, die ganze Atmosphäre ist etwas Besonderes. In den Monaten der Festspiele entsteht richtig Festivalfieber, viele Leute kommen von außerhalb. Die Menschen hier sind sehr nett, ich fühle mich in Bad Hersfeld sehr wohl. Ich habe hier ein gutes Netzwerk aufgebaut, es ist mein Basislager – neben Mallorca.
Was ist das für eine Rolle, die du in „Shakespeare in Love“ spielst?
Ich spiele den Schneider Wabash, so einen linkischen, leicht sinistren Typen. Der will Schauspieler werden, habt aber kein Talent und bekommt trotzdem sofort die Rolle.
Welche Verbindung hast du zu Shakespeare oder seinen Werken?
Schon zu Shakespeares Zeiten war Theater populär, sogar die Königin hat zugeschaut. Schauspieler haben sich damals wie heute exponiert, das ist Wahnsinn.
Hast du dir für „Shakespeare in Love“ zur Vorbereitung den Film angeschaut?
Den Film kannte ich schon, aber ich habe ihn mir noch einmal angesehen, zur Inspiration natürlich.
Welches Genre liegt dir besonders am Herzen?
Die Rolle muss einfach passen. In „Warten auf Godot“ spiele ich Lucky, den einzigen Charakter, der noch lebt. Die anderen warten nur auf Godot und haben keinen Spaß am Leben. Mein Chef, Pozzo, ist praktisch schon innerlich tot, ich bin sein Alter Ego, sein Sklave. Ob Drama oder Komödie – entscheidend ist die Figur.
Spielst du lieber Theater oder drehst du lieber Filme?
Beides hat seinen Reiz. Beim Film kannst du Überflüssiges weglassen, die Kamera sieht ja alles. Im Theater musst du mehr agieren und spielst die Rolle komplett durch. Man probt intensiver. Aber beides ist wichtig, um eine kompakte Leistung zu liefern. Das direkte Feedback vom Publikum im Theater ist etwas ganz Besonderes. Trotzdem liebe ich auch die intensive Arbeit beim Film.
Was ist dir wichtig bei einer Rolle?
Wichtig ist, dass die Rolle eine Aussage hat. Sie darf nicht inhaltsleer sein. Ich spiele gerne Antagonisten, die sind oft spannender. Natürlich wäre es schön gewesen, mal den jugendlichen Liebhaber zu spielen, aber ich komme mit Charakterrollen gut klar.
Gab es für dich je eine Alternative zum Beruf des Schauspielers?
Eigentlich wollte ich Bauer werden. Schauspieler zu werden, war nicht von Anfang an geplant. Meine Tochter hat früh Talent gezeigt. Ich selbst war eher ein Rock’n’Roll-Typ, beeinflusst von den Beatles und den Rolling Stones. Irgendwann wurde ich entdeckt, und mein Vater merkte, dass ich für die Schule wenig Interesse hatte. So bin ich beim Schauspiel gelandet.
Hat das Mitwirken in internationalen Filmen wie „Das Boot“ oder „Schindlers Liste“ deiner Karriere einen Schub gegeben?
„Das Boot“ war ein besonderer Film, der etwas in den Köpfen verändert hat. Ein teurer Film, der in Amerika sehr erfolgreich war. Es war eine Ehre, dabei zu sein. Aber ich ruhe mich nicht auf alten Erfolgen aus – ich schaue immer nach vorne auf das, was als Nächstes kommt.
Was steht denn als Nächstes bei dir an?
Wie gesagt, kommt jetzt erst mal „Warten auf Godot“, wo ich den Lucky spiele. Danach folgen Komödien. Außerdem habe ich Filme am Start: „Limbo“ läuft beim Filmfest München, da spiele ich einen Kleinganoven. Es geht um Geldwäsche und organisiertes Verbrechen – ein bisschen wie „Donnie Brasco“ aus den Siebzigern. Ein weiterer Film mit mir, „Torpedo: U-235“, läuft im September auf dem Filmfest in Toronto.
Interview: Dominik Lapp