Marie-Christine Haase (Foto: Dominik Lapp)
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Interview mit Marie-Christine Haase: „Operette habe ich lange nicht mehr gemacht“

Am Theater Osnabrück sang Marie-Christine Haase ihre ersten Opernpartien. Drei Jahre war sie dort festes Ensemblemitglied, bevor sie anschließend für vier Jahre ans Staatstheater Mainz wechselte. Stimmlich vom leichten Sopran zum lyrischen Koloratursopran weiterentwickelt, ist die junge Opernsängerin jetzt wieder als Gast am Osnabrücker Theater, um die Partie der Belinda in der Oper „Dido and Aeneas“ sowie die Titelpartie in der Operette „Die schöne Galathée“ zu singen. Im Interview spricht sie über ihren bisherigen Werdegang, Kunst in Zeiten der Corona-Pandemie und ihre berufliche Station des Herzens.

Schon im Alter von neun Jahren haben Sie Klarinette gespielt und das Instrument dann auch im Zweitfach neben Ihrem Hauptfach Gesang studiert. Warum haben Sie sich letztendlich für eine Laufbahn als Opernsängerin und nicht als Klarinettistin entschieden?
Es war sogar so, dass ich die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule sogar für das Hauptfach Klarinette und das Zweitfach Gesang gemacht habe. Der Klarinetten-Professor hatte mir aber gesagt, weil ich auch vorsingen musste, dass ich ein großes darstellerisches Talent hätte. Es gab für mich in dem Jahr also eine Absage für die Klarinette, allerdings wurde ich dann an eine Gesangsprofessorin verwiesen. Gesungen hatte ich sowieso immer, schon zu Schulzeiten in einer Musik-AG. Aber professionellen Gesangsunterricht hatte ich bis dahin nicht. Ich hatte immer nur Klarinettenunterricht. Also dachte ich, das studiere ich, da kenne ich mich aus. Aber es sollte so eben nicht sein. Also nahm ich ein Jahr lang Gesangsunterricht und habe ein Jahr später schließlich die Aufnahmeprüfung umgekehrt gemacht, also Gesang im Hauptfach und Klarinette im Zweitfach – und das hat geklappt.

War das eine große Umstellung, plötzlich Gesangsunterricht zu nehmen?
Irgendwie schon. Vor allem im klassischen Gesang. Ich hatte vorher nur Erfahrungen gesammelt im Rock/Pop-Bereich und habe Musical gesungen für mich zu Hause oder in der Schule. Meine Gesangslehrerin, bei der ich schließlich klassischen Gesangsunterricht genommen habe, hat mich sehr unterstützt und mir gesagt, dass ich eine gute Veranlagung habe. Mein Weg war dadurch relativ klar. Durch drei weitere Professoren kam im Studium noch ein gewisses technisches Fundament dazu, aber die Intuition für die Stimme war immer schon da. Außerdem denke ich, dass für die Stimmbildung die Klarinette nicht falsch war. Beides hat mit dem Zwerchfell viel zu tun, mit Festhalten und Loslassen, mit dem richtigen Atmen. Das war optimal.

Spielen Sie aktuell noch Klarinette und könnten spontan im Orchester aushelfen?
In der Corona-Krise habe ich tatsächlich mal wieder die Klarinette ausgepackt, da ich lange Zeit im Jugendblasorchester und natürlich auch im Studium gespielt habe. Aber irgendwann ist der Ansatz, auf den man sich spezialisiert, ein anderer. Also natürlich ist noch etwas da, und wenn ich es trainieren würde, könnte dabei sicherlich etwas Gutes rauskommen. Aber mein Schwerpunkt liegt im Gesang.

Marie-Christine Haase (Foto: Dominik Lapp)

Der Entscheidung, Operngesang zu studieren, muss ja damals als junges Mädchen eine Initialzündung vorausgegangen sein. Lag das damals nur an Ihrem Professor oder gab es vorher schon ein Interesse an der Oper?
Es gab ein generelles Interesse an Musik und Gesang, ja. Ich habe auf dem Kippenberg-Gymnasium in Bremen den Leistungskurs Musik belegt und dort an Musicalaufführungen mitgewirkt. In der 11. Klasse habe ich in „Oliver Twist“ und in der 13. Klasse in „Kismet“ mitgespielt. Da zeigte sich schon, dass mir das Spaß macht. Vor allem die ganze praktische Arbeit hat mich gereizt und motiviert.

Nach Ihrem Studium sind Sie ans Theater Osnabrück engagiert worden, später ans Staatstheater Mainz gewechselt, und mittlerweile sind Sie freiberuflich tätig. Wie kam es zu dieser Entwicklung?
Von Osnabrück nach Mainz bin ich damals einerseits aus privaten Gründen gewechselt, andererseits wollte ich mich weiterentwickeln. An einem größeren Haus hat man natürlich andere Möglichkeiten, kann mit neuen Leuten arbeiten, größere Produktionen spielen. Das hat mich damals sehr gereizt. Die Entscheidung, dass ich mittlerweile die dritte Spielzeit freiberuflich arbeite und nicht mehr fest an einem Haus bin, habe ich allerdings nicht freiwillig getroffen. In meinem Beruf ist es völlig normal, dass man zeitlich begrenzte Verträge hat, die irgendwann auslaufen.

Wenn man zum festen Ensemble eines Theaters gehört, hat man als Künstlerin natürlich entsprechende Sicherheiten, die man als Freiberuflerin nicht mehr hat. Dafür kann man als freie Sängerin aber sicherlich sehr vielfältig arbeiten, oder?
Ja, ich habe mich persönlich gut orientiert und bin daran gewachsen. Natürlich gibt es eine gewisse Unsicherheit, weil man nicht weiß, was morgen kommt. Man muss sich erst einmal dort hineinfinden. Da war es natürlich schwer, als ich mich gerade gefunden hatte, dass ausgerechnet dann Corona kam. Aber ich habe das nicht als Krise anerkannt, sondern einfach weitergemacht. Und dann kamen die zwei Engagements in Osnabrück für die Oper „Dido and Aeneas“ und die Operette „Die schöne Galathée“.

Wie erleben Sie als Künstlerin die Corona-Krise? Sind Ihnen dadurch Engagements weggebrochen?
Ja. Kurz vor der Premiere eines Stücks, das ich als Gast in Mainz spielen sollte, kam die Absage. Wir hatten noch die Generalprobe gespielt, und am Tag der Premiere wurde die Premiere nachmittags letztendlich per E-Mail abgesagt. Wir waren eines der letzten Häuser in dem Gebiet rund um Darmstadt, Frankfurt und Wiesbaden, die überhaupt noch gespielt haben. Nach der Absage war ich natürlich sehr traurig und habe mich die ersten drei Wochen wirklich schlecht gefühlt. Es war eine lähmende Situation, an der niemand Schuld hatte. Es war und ist noch immer unberechenbar, weil einem die Hände gebunden sind und man keinen Einfluss hat. Es braucht eine Zeit, das zu realisieren und zu verstehen, aber es dann auch zu akzeptieren. Nach ein paar Wochen habe ich mir dann gedacht, dass es nicht für immer vorbei sein wird mit dem Theater. Es bringt nichts, wenn man sich vergräbt.

Marie-Christine Haase (Foto: Dominik Lapp)

In der aktuellen Spielzeit sind Sie als Gast ans Theater Osnabrück zurückgekehrt. War das gewissermaßen auch wie ein Heimkommen?
Auf jeden Fall ist das wie ein Heimkommen. Osnabrück ist für mich eine Station des Herzens, weil es mein Anfängerhaus war. Ich bin gleich am Ende meines Studiums nach Osnabrück gekommen, und es sind auch heute noch Kollegen von damals an diesem Haus. Ich bin immer wieder froh, wenn ich in Osnabrück sein darf. Die Zeit in Osnabrück war für mich ein Nährboden für meine Entwicklung als Sängerin. In der aktuellen Spielzeit wieder hier singen zu dürfen, ist für mich quasi auch wie der Abschluss einer Dekade, weil es die letzte Spielzeit von Intendant Ralf Waldschmidt ist, mit dem ich damals neu an das Theater Osnabrück gekommen bin.

Mit wem arbeiten Sie in Osnabrück besonders gern?
Ich arbeite wirklich gern mit Daniel Inbal und freue mich, dass er sowohl bei „Dido and Aeneas“ als auch bei „Die schöne Galathée“ die Musikalische Leitung innehat. Daniel Inbal ist nicht nur ein fantastischer Dirigent, sondern auch ein toller Mensch. Er sticht durch musikalische Erfahrung hervor, und er weiß, wie man Sänger abholt und das größtmögliche Potenzial in einer Produktion schafft. Das bewundere ich, und so kann ich mich wunderbar entfalten. Deswegen arbeite ich sehr gern mit ihm.

Auf Ihrer Webseite findet man viele Produktionsfotos, auf denen man Sie in Stücken mit großem Bühnenbild, ausladenden Kostümen und aufwändigem Maskenbild sieht. Ist das auch etwas, was Sie an Ihrem Beruf lieben, in Kostüme und andere Rollen zu schlüpfen?
Auf jeden Fall. Gerade ein größeres Haus wie das Staatstheater Mainz hat natürlich ganz andere finanzielle Möglichkeiten zu einer größeren Ausstattung. Das waren schon tolle Erfahrungen, die ich an dem Haus gemacht habe. Vor allem durfte ich dort mit ganz tollen Kreativteams zusammenarbeiten. Das ist definitiv etwas Besonderes, wenn man mit einem Kostümbildner zusammenarbeitet, der die Stoffe für die Kostüme auf etlichen Basaren dieser Welt zusammensucht.

Wo wir gerade bei der Ausstattung sind: Recht schlicht ausgestattet wurde in Osnabrück ja die Oper „Dido and Aeneas“, wo der Regisseur die Sängerinnen und Sänger mehr oder weniger in Boxen gesperrt hat. Wie ist es für Sie als Sängerin, 70 Minuten in einer Box zu singen? Ist das nicht schwierig, weil man auch nur schwer mit den anderen interagieren kann?
Für klaustrophobische Menschen ist das sicher nichts. Gott sei Dank bin ich das nicht. (lacht) Am Anfang bin ich generell erst mal für alles offen. Das ist sicher nicht schlecht und eine gute Eigenschaft von mir. Allerdings bin ich in meiner Rolle allein besetzt, nicht wie andere Rollen in diesem Stück doppelt. Das heißt, dass ich besonders oft bei den Proben war und die Arbeit in der Box irgendwann auch körperlich gemerkt habe. Man muss anders agieren und reagieren, als wenn man sich frei auf einer Bühne bewegen würde. Da spürt man dann schon körperliche Symptome wie Nacken- und Rückenschmerzen durch die ganzen Verrenkungen, die wir machen. Blaue Flecken gibt’s natürlich auch. Aber das gehört dazu. Ich muss jedoch sagen, dass es gesanglich ganz gut funktioniert. Also die Akustik ist gut in der Box. Auch im Duett funktioniert das Singen gut, obwohl uns eine Wand trennt. Aber ich kann mich gut auf solche neuen Situationen und unterschiedliche Duettpartner einstellen. Von daher macht es für mich keinen großen Unterschied.

Wie sehen eigentlich die Corona-Hygienemaßnahmen bei so einer Opernproduktion aus?
Es gibt Spender mit Desinfektionsmittel und Maskenpflicht hinter der Bühne. Außerdem herrscht im ganzen Theater eine Einbahnstraßen-Regelung. Bevor uns die Frisuren gemacht werden, müssen die Haare gewaschen werden, und schminken müssen wir uns selber. Nach der Vorstellung werden die Kostüme einzeln in Säcke gepackt und anschließend gewaschen, damit sich nichts vermischt. Darauf wird streng geachtet.

Corona hat viel auf den Kopf gestellt. Wie deprimierend ist es für eine Sängerin, in einen nur noch spärlich besetzten Zuschauerraum zu singen?
Bei „Dido and Aeneas“ ist vor der Bühne eine Gaze gespannt, auf die Videos projiziert werden. Dadurch können wir sowieso nicht wirklich in den Zuschauerraum sehen und sehen selbst den Dirigenten nur beeinträchtigt oder auf den Monitoren. Ich habe also nicht wie sonst die Sicht aufs Publikum und bekomme aus dem Zuschauerraum nichts mit. Aber am Ende beim Applaus ist es schon komisch, so wenig Publikum zu sehen. Das schluckt Energie, weil man einfach Feedback vom Publikum braucht. Das sagen auch die Kollegen. Ich erhoffe mir, dass es bei der Operette, wo es etwas lustiger ist, besser wird.

Operette ist ein gutes Stichwort. Sie werden in dieser Spielzeit in Osnabrück die Titelrolle in der Operette „Die schöne Galathée“ singen. Das Operettenfach haben Sie schon länger nicht mehr bedient.
Ja, Operette habe ich lange nicht mehr gemacht. Und deshalb habe ich mir eine leichtere Kost mal wieder gewünscht, weil es auch sehr vielseitig ist. Außerdem ist „Die schöne Galathée“ eine wirklich tolle, aber sehr selten gespielte Operette, die viele Einflüsse von verschiedenen Komponisten hat. Also man hört Mozart und Humperdinck raus, aber auch italienisches Spielfach wie Donizetti. Es verspricht, ein sehr bunter Abend zu werden, und ich freue mich auf meine klassische Primadonna-Rolle.

Sie debütieren ja in der Rolle der Galathée. Wie früh haben Sie sich auf die Partie vorbereitet?
Am liebsten beginne ich schon sehr früh. Das war hier aber gar nicht gegeben, weil es eher eine spontane Entscheidung war, dass man mich in Osnabrück gleich für zwei Produktionen besetzt hat. Von daher war das eine sehr kurze Probenphase, in die ich mich jedoch gut eingefunden habe. Ich bin das letztendlich gewohnt, habe schon früher in meiner Zeit am Theater Osnabrück an die 20 Partien in drei Jahren gesungen. Das ist immer viel Arbeit, verbunden mit mal mehr und mal weniger Text. Aber das macht mir großen Spaß, und den meisten Spaß bereitet mir die große Abwechslung in meinem Beruf, weil ich so unterschiedliche Fächer bedienen kann.

Interview: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".