Lars Linnhoff (Foto: Dominik Lapp)
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Interview mit Lars Linnhoff: „Ich hatte das Bedürfnis, mich für das queere Leben zu engagieren“

Lars Linnhoff ist Illustrator, Szenograf sowie Regisseur und hat einen queeren Stadtplan für Osnabrück herausgegeben. Im Interview spricht er darüber, was es mit „The queer History of Osnabrück“ auf sich hat, wie die Idee dazu entstand und wie er zu seinem vielseitigen Beruf kam.

Sie sind Illustrator, Szenograf und Regisseur. Wie wird man das eigentlich?
Durch Zufall. Ich bin einfach für alles offen und an allem interessiert. Wenn die Möglichkeit für etwas Neues kommt und ich Lust darauf habe, dann mache ich das. So hat es sich in den letzten zehn Jahre ergeben, dass ich unterschiedliche Dinge tun konnte und mich nun in drei Bereichen austobe.

Was haben Sie ursprünglich studiert?
Ich habe in Hildesheim Szenische Künste studiert – eigentlich mit dem Wunsch, Musical-Regisseur zu werden. Allerdings habe ich relativ schnell gemerkt, wenn ich inszeniere, dass ich dann auch Ideen für das Bühnenbild und die Kostüme habe. Dadurch hat es sich ergeben, dass ich für eine Produktion die Ausstattung gemacht habe. So bin ich von der Regie aus weitergekommen.

War das bereits ein Kindheitstraum? Waren Sie früher schon ein Kreativkopf?
Ja. Meine ganze Kindheit war von Theater und kreativen Dingen geprägt. Ich war fasziniert von der Bühne und Musicals, habe Programmhefte gemalt, Kostüme nachgebastelt und alles im Marionettentheater nachgespielt. Nach dem Abitur musste ich mich entscheiden, was ich machen möchte. Erst wollte ich Kunst studieren, habe allerdings festgestellt, dass mein Können dafür nicht ausreicht. Nachdem ich ein Praktikum am Bochumer Schauspielhaus absolviert hatte, war mir klar, es wird doch das Theater. Ich wollte nie selbst auf der Bühne stehen, sondern immer das arrangieren, was auf der Bühne zu sehen ist.

Es gab nie Ambitionen, selbst auf der Bühne zu stehen?
Nein. Dafür war ich zu verklemmt und schüchtern. Aber ich habe trotzdem in der Uni mal Gesangsunterricht genommen und auch ein Jahr auf der Waldbühne in Kloster Oesede gespielt. Aber das war’s.

Geboren wurden Sie in Hamm, studiert haben Sie in Hildesheim. Osnabrück ist inzwischen Ihre Wahl-Heimat. Wie kam es dazu?
Ich habe acht Jahre in Hildesheim gelebt. Danach hatte ich das Gefühl, weiterziehen zu müssen. Also habe ich meine Wohnung gekündigt und konnte mich erst mal nicht entscheiden, wo ich wohnen wollte. Als ich dann einen Job als Regisseur in Kloster Oesede bekam, dachte ich mir, wenn ich jetzt sowieso schon mindestens ein Dreivierteljahr da arbeite, kann ich auch direkt in die Gegend ziehen – zumal ich schon ein paar Leute in Osnabrück kannte. Die Stadt hat mir sofort gefallen. Als Corona kam, habe ich die Stadt noch besser kennen gelernt und sie hat mir noch besser gefallen. Jetzt will ich erst mal nicht mehr weg von hier.

Sie arbeiten im Atelier 27 in Osnabrück. Was ist das für eine Institution?
Das Atelier befindet sich in einem denkmalgeschützten Industrieareal an der Klosterstraße 27 und ist eine Gemeinschaft von Menschen, die hauptberuflich kreativ sind oder es als Hobby betreiben. Dort bin ich seit Anfang des Jahres, weil ich durch Corona gemerkt habe, dass ich raus muss aus dem Homeoffice und den Austausch brauche. Das Gelände ist total schön und inspirierend.

In Ihrem Atelier haben Sie vor ein paar Monaten Ihr neues Projekt, einen Stadtplan mit dem Titel „The queer History of Osnabrück“ vorgestellt. Was genau ist das und wie entstand die Idee dazu?
Ich bin seit einiger Zeit im Verein „Gay in May“, weil ich das Bedürfnis hatte, mich für das queere Leben zu engagieren. Anfangs habe ich eine Veranstaltung zu dem Thema organisiert und gemerkt, dass mich die queere Geschichte interessiert. Die muss es ja auch in Osnabrück geben. Es wuchs also der Wunsch in mir, dazu etwas mehr zu machen, zu recherchieren und zu illustrieren. Weil es so viele Orte in Osnabrück mit einem queeren Hintergrund gibt, bin ich auf die Idee gekommen, einen Stadtplan zu gestalten. Also wurde ein Konzept geschrieben, mit dem ich mich um eine Förderung im Rahmen des Osnabrücker Kulturmarathons beworben habe, was glücklicherweise geklappt hat.

Wie haben Sie die Inhalte für den Stadtplan gefunden?
Ich hatte Kontakt zu Frank Wolff von der Uni Osnabrück, der vor ein paar Jahren eine Studie zur queeren Geschichte der Stadt durchgeführt hat. Diese Studie war meine Ausgangsbasis. Außerdem hat er mir Kontakte vermittelt. So war ich mittendrin und hatte einen guten Überblick.

Wie lange haben Sie am Stadtplan gearbeitet?
Effektiv etwa zwei Monate. Ich habe im April die Zusage der Förderung erhalten und bin im Juni in Druck gegangen. Diese Deadline hatte ich mir selbst gesetzt, weil ich unbedingt den Sommer mitnehmen wollte, wo die Leute draußen unterwegs sind und den Stadtplan mitnehmen können, der an vielen Stellen in Osnabrück zur kostenlosen Mitnahme ausliegt.

An wen richtet sich der Stadtplan?
An alle Menschen, die nichts oder nur wenig über die queere Geschichte von Osnabrück wissen, aber grundsätzlich dafür offen sind – egal ob sie selbst queer sind oder nicht.

Interview: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".