Proben für Hamburgs neues Musical: Urbanes Pop-Märchen „& Julia“ nimmt Formen an
Die Proben für die deutschsprachige Erstaufführung des Musicals „& Julia“ befinden sich in der vierten Woche. Schon bald zieht die Cast von der Probenbühne in der Hamburger Speicherstadt ins Theater um, wo die Show am 30. Oktober 2024 Premiere feiert. Zurzeit wird noch in der fünften Etage in der Zentrale von Stage Entertainment geprobt. Die kreativen Köpfe und talentierten Darstellerinnen und Darsteller arbeiten an der Neuinterpretation von „Romeo und Julia“, der wohl berühmtesten Liebesgeschichte aller Zeiten. Dass sie das in der Speicherstadt und nicht im Theater tun, ist dem Umstand geschuldet, dass das Operettenhaus keine eigene Probenbühne im Haus besitzt – im Gegensatz zu den anderen Theatern, die Stage Entertainment in der Hansestadt betreibt.
Buntes, modernes und urbanes Pop-Märchen
Auf der Hauptbühne im Operettenhaus an der Reeperbahn hingegen kann noch nicht geprobt werden, denn dort wird aktuell das aufwändige Bühnenbild sowie die Licht- und Tontechnik eingerichtet. Wie das später einmal aussehen wird, lässt sich erahnen, wenn man auf der Probenbühne den Blick über die Wände schweifen lässt. Dort hängen neben einer Songliste sowie den Charakterbeschreibungen nämlich Bilder des Bühnenbilds und zeigen 17 Szenen im ersten sowie elf im zweiten Akt – und sie verraten bereits, dass „& Julia“ ein buntes, modernes und urbanes Pop-Märchen wird.
„Wir sind jetzt gerade in den letzten Zügen auf der Probenbühne und kurz davor, das Stück zu Ende zu stellen. In circa zwei Wochen ziehen wir ins Theater um, dann geht’s auf die richtige Bühne“, erklärt die Künstlerische Leiterin, Denise Obedekah, bei der alle Fäden der Produktion zusammenlaufen. „Noch gleicht das Theater einer Baustelle. Da muss man wirklich wissen, wo man hinläuft“, sagt Obedekah im Gespräch mit unserer Redaktion. So erhalten die Darstellerinnen und Darsteller am ersten Tag im Theater eine entsprechende Einweisung, um sich mit den technischen Abläufen und der Bühne vertraut zu machen. Denn in dem Stück fahren Kulissenteile von den Seiten auf die Bühne oder werden aus dem Schnürboden abgesenkt. Dazu müssen alle Beteiligten wissen, was wann und wo geschieht. „Diese Phase vor den Previews ist immer sehr spannend und dient zum Ausprobieren“, weiß die Hamburgerin.
Verantwortlich für konstante Qualität der Show
Auf der Probenbühne ist von fahr- und absenkbaren Kulissenteilen nichts zu sehen. Auf dem schwarzen Tanzboden sind allerlei neonfarbene Markierungen angebracht – dort, wo Requisiten oder Möbel platziert werden. Auf einem Requisitentisch an der Seite liegt alles bereit, was die Darstellerinnen und Darsteller im Stück benötigen: eine Geige, Bierflaschen, Bücher, ein Dolch, Federkiele oder auch eine Sonnenbrille. Ein Gameboy und ein Walkman versprühen Neunzigerjahre-Nostalgie – das Stück wird schließlich mit den weltbekannten Pop-Hits von Max Martin erzählt.
Regie führt bei „& Julia“ die aus Melbourne stammende Grace Taylor. Denise Obedekah erzählt: „Momentan assistiere ich Grace, aber nach der Premiere übernehme ich die Verantwortung für die Einstudierung der Zweitbesetzungen. Meine Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass die Qualität der Show konstant bleibt und alles nach den Vorstellungen von Grace auf die Bühne gebracht wird.“ Dazu wird sie sich die Show künftig auch immer wieder ansehen müssen – wohl der Traum eines jeden Musicalfans.
Die enge Zusammenarbeit mit dem Kreativteam ist für die Künstlerische Leiterin von zentraler Bedeutung. „Ich bin bei allen Proben dabei, um genau zu wissen, was gewollt ist. Nur so kann ich es an die Darstellenden später weitergeben“, sagt Obedekah. Auf die Frage nach den Herausforderungen des Stücks antwortet sie: „Ich sehe es aktuell nicht als Herausforderung, sondern als großes Vergnügen. Alle sind motiviert und begeistert bei der Sache. Die größte Herausforderung wird sein, das Stück frisch zu halten, damit keine Routine eintritt.“
Livemusik bedeutend für Emotionen
Frisch bleiben muss ein Musical wie „& Julia“ selbstverständlich auch auf der musikalischen Ebene. Dafür ist Philipp Gras als Musikalischer Leiter verantwortlich. „Es ist meine Aufgabe, die Musik mit der gesamten Cast zu erarbeiten. Ich probe also täglich mit den Darstellern und arbeite danach mit dem Orchester. Ich bin dafür verantwortlich, dass die musikalische Qualität während des gesamten Produktionszeitraums erhalten bleibt“, erläutert der erfahrene Musiker, der auch „Hamilton“ im Operettenhaus musikalisch verantwortet hat.
Ein zentrales Thema in Gras’ Erläuterungen ist die Besonderheit eines Jukebox-Musicals. „Die Zuschauer haben hohe Erwartungen, denn sie kommen mit einem bestimmten Bild der Songs im Kopf. Die Herausforderung besteht darin, diese Erwartungen zu erfüllen, während wir gleichzeitig neue Arrangements präsentieren“, betont er. Die Darstellerinnen und Darsteller sowie das Orchester arbeiten daran, die Songs in einem neuen Licht erscheinen zu lassen, was für das Publikum sowohl vertraut als auch überraschend sein soll.
Ein weiterer wichtiger Punkt für Philipp Gras ist die Bedeutung von Livemusik in der Produktion. „Es macht einen großen Unterschied, ob die Musik live gespielt wird oder aus der Konserve kommt, weil Livemusik das Publikum auf eine Weise berührt, die eine Konserve niemals erreichen kann. Selbst wenn live gespielte Musik mal nicht perfekt ist, macht sie emotional etwas mit dem Publikum“, erklärt er leidenschaftlich.
Alte Geschichte aus neuem Blickwinkel erzählt
Mit einem Mix aus einer einzigartigen und innovativen Herangehensweise an ein bekanntes Werk wie „Romeo und Julia“ und der Kraft mitreißender Musik, starken Charakteren und einer energiegeladenen Inszenierung, könnte die Show wie schon in New York und London auch in Hamburg ein Erfolg werden. Julias neue Geschichte wird getragen von weltbekannten Pop-Hits, doch das Stück ist keinesfalls nur eine weitere platte Jukebox-Show. Denn obwohl Songs von Kelly Clarkson, Celine Dion, den Backstreet Boys, Katy Perry und Britney Spears zu hören sind, wurden diese nicht wahllos zusammengestellt, sondern stammen alle aus der Feder desselben Komponisten: Max Martin.
„Es ist eine anspruchsvolle Partie, und ich habe Respekt vor den Songs, die so viele Menschen aus dem Radio kennen“, sagt Romeo-Darsteller Raphael Groß. Andreas Bongard, der William Shakespeare spielt, freut sich, dass das Stück eine alte Geschichte aus einem neuen Blickwinkel erzählt. „Außerdem hat mich als Millennial, genauso wie eine ganze Generation, die grandiose Musik von Max Martin geprägt“, berichtet der Darsteller.
Text: Dominik Lapp