„Kinky Boots“ (Foto: Dominik Lapp)
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„Freude, Verständnis, Akzeptanz“: Cyndi Lauper über ihr Musical „Kinky Boots“

Ausgezeichnet mit sechs Tony Awards und drei Laurence Olivier Awards, blieb dem Musical „Kinky Boots“ von Cyndi Lauper (Musik und Songtexte) und Harvey Fierstein (Buch) der Erfolg in Deutschland bislang verwehrt. Nach der Deutschlandpremiere 2017 in Hamburg mit einer kurzen Laufzeit von nicht einmal einem Jahr und einer Non-Replica-Inszenierung 2021 in Hildesheim ist nun eine englischsprachige Neuinszenierung im deutschsprachigen Raum auf Tournee.

Für Lauper war das Projekt von Anfang an eine Herzensangelegenheit. „Ich habe mich sehr mit der Geschichte von ‚Kinky Boots‘ identifiziert, da ich mich in meinem Leben oft wie eine Außenseiterin gefühlt habe“, berichtet sie. Die Musik-Ikone kennt Regisseur Jerry Mitchell und Autor Harvey Fierstein schon seit Jahren – und wollte immer mit ihnen zusammenarbeiten. „Deshalb war ich begeistert, dass sich mir mit diesem Projekt die Gelegenheit bot, mit meinen Freunden zu arbeiten!“

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Von der Pop-Legende zur Broadway-Komponistin

Cyndi Lauper, die mit Songs wie „Girls just want to have Fun“ und „Time after Time“ zur Pop-Legende wurde, stand mit „Kinky Boots“ erstmals als Komponistin für ein Broadway-Musical im Rampenlicht. Der kreative Prozess war für sie eine neue Erfahrung. „Es ist völlig anders. Man kann in unterschiedlichen Stilen und Stimmen schreiben, weil man für verschiedene Figuren komponiert“, erklärt sie.

Beim Schreiben von Popsongs erzähle sie häufig Geschichten anderer Menschen – doch für ein Musical sei das Eintauchen in die Perspektiven der Figuren entscheidend. „Außerdem müssen Songs in einem Musical die Handlung voranbringen. Das ist eine zusätzliche Herausforderung, die man nicht hat, wenn man nur für sich selbst schreibt.“ Sie erinnert sich: „Eines der aufregendsten Dinge, die Harvey mir beim Schreiben von ‚Kinky Boots‘ beigebracht hat, war, dass es keine Regeln gibt. Ich fragte ihn nach den Regeln und er sagte immer wieder: ‚Es gibt keine!‘“

Songs mit Seele

Viele ihrer Kompositionen für das Musical tragen eine sehr persönliche Note. Besonders der Song „Not my Father’s Son“ liegt ihr am Herzen. „Diesen Song habe ich eigentlich als Liebeslied für meinen Mann und meinen Sohn geschrieben“, erzählt Lauper. „Ich habe beobachtet, wie mein Sohn aufgewachsen ist und wie sehr er zu seinem Vater aufgeschaut hat. Anders als die Väter von Charlie und Lola hat mein Mann meinen Sohn immer so akzeptiert, wie er ist und sein möchte.“ Diese intime Beobachtung floss direkt in ihre Musik. „Mein Mann hat wirklich die ‚Patience of Job‘, eine engelsgleiche Geduld, deshalb habe ich ihm die Zeile im Song gewidmet.“

„Kinky Boots“ (Foto: Dominik Lapp)
Das Musical „Kinky Boots“ spielt in einer Schuhfabrik – hier das Bühnenbild der Hamburger Produktion.

Teamarbeit mit Herz und Humor

Dass das Musical so authentisch wirkt, liegt auch an der besonderen Chemie im Kreativteam. „Ich bin durch Harvey Fierstein zu ‚Kinky Boots‘ gekommen – ihm habe ich alles zu verdanken“, sagt Lauper. „Er rief mich eines Tages an, kurz nachdem ich von einer Europatour zurückgekommen war. Ich stand tatsächlich gerade am Abwasch!“

Fierstein habe ihr vom Projekt erzählt, Regisseur Jerry Mitchell sei ebenfalls an Bord – und für die Komponistin war sofort klar, dass sie zusagen würde. „Er und Jerry haben mich durch mein erstes Broadway-Stück als Komponistin begleitet, und dafür bin ich beiden unglaublich dankbar.“

Mit dem Tony Award Geschichte geschrieben

Als 2013 die Premiere am Broadway gefeiert wurde, war die Begeisterung riesig – und Cyndi Lauper schrieb Geschichte: Sie war die erste Frau, die allein den Tony Award für die beste Originalmusik gewann. „Ich war sehr stolz, die erste alleinige Komponistin und Texterin zu sein, die einen Tony Award gewonnen hat, aber das hätte schon lange vor 2013 passieren sollen“, sagt sie. „Ich freue mich, dass seit meinem Gewinn viele weitere Frauen in der Kategorie ‚Best Score‘ nominiert wurden und einige sogar gewonnen haben, das ist wunderbar!“

Trotz ihres Erfolgs bleibt Lauper geerdet und kämpferisch. Sie engagiert sich unermüdlich für Gleichberechtigung – auch über ihre Musik hinaus. 2022 gründete sie den „Girls just want to have Fundamental Rights Fund“, um Initiativen zur Förderung der Rechte und Gesundheit von Frauen zu unterstützen. „Es war nie wichtiger, für Frauen und Mädchen auf der ganzen Welt einzutreten. Unsere Rechte werden uns genommen – und ich weigere mich, Bürgerin zweiter Klasse zu sein“, sagt sie entschlossen. „Ich werde niemals aufgeben, bis Frauen vollwertige und gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft sind.“

Eine Glückspille auf Tour

Jetzt bringt „Kinky Boots“ sein farbenfrohes Bühnenfeuerwerk nach Deutschland und in die Schweiz – mit einer Botschaft, die überall verstanden wird. „Ich hoffe, dass das Publikum genauso begeistert reagiert wie am Broadway, am West End und überall sonst, wo das Stück bisher gespielt wurde“, sagt Cyndi Lauper. „Vor allem ist es einfach eine Glückspille! Es ist so voller Freude und Spaß und ich denke, gerade heutzutage können wir alle ein bisschen davon gebrauchen.“ Und wenn man sie fragt, wie sie ihr Musical in drei Worten beschreiben würde, zögert sie keine Sekunde: „Freude, Verständnis, Akzeptanz.“

Text: Christoph Doerner

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Nach seinem Studium der Musiktheaterwissenschaft, einem Volontariat sowie mehreren journalistischen Stationen im In- und Ausland, ist Christoph Doerner seit einigen Jahren als freier Journalist, Texter und Berater tätig.