
Gute Unterhaltung: „Saturday Night Fever“ auf Tour
Der Beat der Bee Gees ist unsterblich, und wenn das ikonische „Stayin’ Alive“ den Saal erfüllt, scheint für einen Moment alles möglich: Glitzer, Glamour, Eskapismus. „Saturday Night Fever“, basierend auf dem gleichnamigen Filmklassiker und Nik Cohns Geschichte, ist nun in der Musicalfassung von Robert Stigwood, Bill Oakes und Ryan McBryde auf Tournee. Unter der Regie von Christopher Tölle bietet die Produktion von Showslot einen Abend zwischen Nostalgie, Tanzlust und melancholischer Gesellschaftsstudie.
Tölle gelingt eine fein gearbeitete Personenzeichnung, die den Figuren starke Konturen verleiht, ohne in Kitsch zu verfallen. Alexander Auler als Tony Manero ist das leuchtende Zentrum dieser Inszenierung: charmant, rastlos, energiegeladen. Mit bestechender Bühnenpräsenz und sicherer Stimme trägt er die Sehnsucht eines jungen Mannes, der im Brooklyn der 1970er-Jahre zwischen Discofieber und Familienfrust nach Bedeutung sucht. Sandra Bitterli als Stephanie Mangano beeindruckt mit klarer Haltung und einer Stimme, die Stärke und Verletzlichkeit zugleich transportiert. Ihre Szenen mit Auler haben Spannung und Glaubwürdigkeit – zwei tanzende Menschen, die sich in der gegenseitigen Herausforderung erkennen.
Auch die Nebenrollen sind mit spürbarer Sorgfalt besetzt: Christian Bock gibt dem sensiblen Bobby C berührende Zerbrechlichkeit, Marije Louise Maliepaard als Annette lässt hinter glitzernder Oberfläche tiefen Schmerz aufblitzen. Niklas Brunner und Maximilian Vogel als Tonys Freunde Double J und Joey bringen sprühende Energie in die Clique, während Joey Heindle als Disco-DJ Monty mit sympathischem Augenzwinkern für Leichtigkeit sorgt. Tim Edwards als Bruder Frank Jr. und Tim Olcay als Vater Frank Sr. bilden gemeinsam mit Daniela Moser als Mutter Flo das familiäre Gegengewicht – realistisch, erdig, mit überzeugender Emotionalität.
Die Bühne von Andrew Exeter ist ein atmosphärisches Schmuckstück: Eine mächtige Stahlbrücke überspannt den Raum und wird zum Symbol für Aufstieg, Sehnsucht und Abgrenzung. Zwei fahrbare Treppen transformieren sich im Handumdrehen in die Wohnung der Maneros, den Farbenladen oder die Tanzfläche der Disco „2001 Odyssey“. Exeters Lichtdesign taucht das Geschehen in pulsierende Farben, die den Discohimmel der Siebziger wieder aufleben lassen. Heike Seidlers Kostüme sind dabei ein Feuerwerk an Stil und Zeitgeist – farbenfroh, authentisch und einfach schön anzusehen.
Musikalisch sind die Hits der Bee Gees – von „Night Fever“ über „How deep is your Love“ bis „You should be dancing“ – natürlich das Rückgrat der Show. Das Publikum lässt sich willig in den Rhythmus fallen. Und doch: Immer wieder unterbrechen die deutschsprachigen Dialoge in der Übersetzung von Anja Hauptmann den musikalischen Fluss. So nachvollziehbar der Versuch ist, die Geschichte dramaturgisch zu erden, so sehr wünscht man sich, die Songs dürften öfter einfach weiterglühen. In der Pause wird genau das beim Besuch in Bremen auch hörbar diskutiert – das Publikum sehnt sich nach mehr Disco und weniger Dialog.
Die Choreografie von Christopher Tölle und Nigel Watson ist präzise und ästhetisch, die Bewegungen fließen mühelos, der Tanz besitzt Drive – doch das letzte Quäntchen Ekstase fehlt. Man spürt die Disziplin, aber weniger das ungebremste Loslassen, das den Film einst so elektrisierte. Vielleicht liegt gerade darin die kleine Distanz, die den Abend davor bewahrt, ganz zu zünden.
Und dennoch: „Saturday Night Fever“ in dieser Tourfassung ist gutes Unterhaltungstheater mit Stil, Rhythmus und Respekt vor seiner Vorlage. Es ist ein Abend, der die Ära der Schlaghosen und Spiegelkugeln mit professioneller Brillanz feiert und zugleich den Schmerz jener zeigt, die vom Leben mehr wollen, als der Alltag ihnen zugesteht.
Text: Dominik Lapp