„Memphis“ (Foto: David Schmelzer)
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Liebe zur Musik: „Memphis“ auf Tour

Bei den Stichwörtern Rock’n’Roll und Memphis, der Stadt im US-Südstaat Tennessee denkt man wohl zuerst an Elvis Presley. Das Musical „Memphis“, das als deutschsprachige Erstaufführung gerade auf Tour ist, widmet sich allerdings nicht dem King of Rock’n’Roll, wohl aber der Liebezur Entstehung dieser Musikrichtung in den Fifties.

„Memphis“ spielt in ebendieser Stadt und dreht sich um den jungen weißen Huey Calhoun, der sich – für die damalige Zeit unüblich – der Musik wegen in einer schwarzen Rock’n’Roll-Bar aufhält. Dort trifft er auf Sängerin Felicia und macht es sich fortan zur Aufgabe, den Weißen die afroamerikanische Musik näher zu bringen.

Die USA in Zeiten strikter Rassentrennung und eine schwarze Frau, deren gesangliches Talent aufgrund von Widrigkeiten eingeschränkt wird: Ist „Memphis“ von David Bryan (Musik) und Joe DiPietro (Buch und Text also lediglich eine Mischung aus „Hairspray“ und „Sister Act“ mit einer Prise „West Side Story“? Die Begeisterung der Zuschauenden beim Schlussapplaus spricht nicht dafür, sondern legitimiert vielmehr den großen Erfolg, den das Stück bereits am Broadway und West End feierte.

Allen voran ist dies der sehenswerten Besetzung zu verdanken. Die Hauptdarstellenden und das Ensemble bis in jede Nebenrolle setzen auf der Bühne derartige Energie in den Tanzszenen frei und schicken diese gemeinsam mit Emotionen durch bewegendes Schauspiel in den Zuschauerraum, so dass dort die Luft förmlich pulsiert wie in einem richtig guten Club.

Kevin Thiel spielt die männliche Hauptrolle des Huey Calhoun – und er spielt seinen Part beinahe schon unverschämt gut. In seiner Rolle redet er sich um Kopf und Kragen, bekommt immer noch mal gerade so die Kurve, zeigt schauspielerisch liebenswerte und ein bisschen naive Seiten, wirbelt selbst von einer Szene zur nächsten und singt auch noch scheinbar mühelos seine Songs. In den Titelsong „Memphis“ legt er dabei so viel Energie und Herzblut, dass diese Nummer das würdige Finale darstellen könnte.

Sidonie Smith als Felicia Farrell kann mit dem quirligen Huey mithalten. Smith singt mit souliger Stimme ihre eingängigen Nummern wie „Es braucht nur einen Kuss“ oder „Bald schon“ und empfiehlt sich damit wieder einmal als fähige Hauptdarstellerin.

Auch die weitere Besetzung kann überzeugen. Karina Schwarz als Hueys Mutter Gladys, Richard McCowen als Bobby und Axel Becker als Radiobesitzer Mr. Simmons machen ihre Rollen zu starken Charakteren. Oliver Edward trifft an unerwarteter Stelle als Gator die richten Töne. Genannt werden muss außerdem David Moore, der wieder einmal mit wahnsinniger Bühnenpräsenz und seinem Gospel-Bariton zu fesseln weiß.

Der Tourfassung ist geschuldet, dass das Bühnenbild recht schlicht ausfällt, aber zweckmäßig ist. Das Lichtdesign erzeugt die passende Stimmung zwischen schummeriger Clubatmosphäre und hellem Arbeitslicht beim Radiosender und lässt die zeitgemäßen Kostüme wie College-Jacken und Petticoats leuchten.

Basierend auf der Geschichte des aus Memphis stammenden DJs Dewey Philips, der als erster Weißer begann, afroamerikanische Musik im Radio zu spielen, ist dieses Musical wie ein lauer Sommerabend, den man von Anfang bis Ende genießt und der mit kleinen Wetterumbrüchen im Verlauf spannend bleibt. Die Produktion schafft es, durch Hochwertigkeit zu überzeugen und kommt nach einer nur kurzen Spielzeit hoffentlich noch einmal auf die Bühne zurück. Einziger Wermutstropfen: Die Musik kommt aus der Konserve.

Text: Nathalie Kroj

Nathalie Kroj sammelte Erfahrungen bei thatsMusical und Musical1, bevor sie als Autorin zu kulturfeder.de kam, um hier ihre Leidenschaft für Musicals mit dem Schreiben zu verbinden.