„King Kong“ (Foto: Nathalie Kroj)
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Niveauvolles Kammerspiel: „King Kong“ in Sankt Wendel

„In der Nähe von Java im Indischen Ozean liegt eine Insel – mystisch und verlassen – und dort herrscht Kong!“ Das Musical „King Kong“ beginnt ohne große Vorrede. Die braucht es aber auch nicht, denn die Geschichte der monströsen Affenkreatur, die bereits 1932 als Roman erschien und seitdem mehrfach actionreich verfilmt wurde, ist hinlänglich bekannt. Seit 2009 treibt der sagenumwobene Affe auch auf Theaterbühnen sein Unwesen und das, obwohl er im Musical nicht mal als Rolle in Erscheinung tritt. Denn geradezu extrem kontrastreich zu den üppigen Ausstattungen der Hollywood-Filme kommt das Stück von Komponist Paul Graham Brown und Texter James Edward Lyons mit nur drei Darstellenden und Piano-Begleitung aus.

Unter der Regie des Komponisten selbst kommt „King Kong“ zur Aufführung in der Stage Eventlounge im saarländischen Sankt Wendel. Michael Ewig ist an der Produktion gleich in dreifacher Rolle beteiligt: Er ist Eigentümer der Tanzschule und Eventlocation, möchte als Produzent von „King Kong“ den Startschuss geben, Sankt Wendel zur Musicalstadt aufzubauen und spielt im Stück die Rolle des Schiffskapitäns Jack Driscoll.

Gestartet wurde mit drei Vorstellungen des Kammerstücks, das in einer kurzen Probenzeit von knapp zwei Wochen auf die Bühne gebracht wurde. Wobei ebendiese Bühne und der Zuschauerraum auf einer Ebene in einem großen Saal eingerichtet sind und das Ganze recht provisorisch wirkt. Was so jedoch erzeugt wird, ist eine gewisse Form der Intimität mit den Darstellern, die vor der Mammutaufgabe stehen, das gut zweistündige Musical zu dritt zu stemmen. Und diese Intimität gelingt, denn die Zuschauer fühlen sich quasi mit an Bord des Schiffes, mit dem sich das ungleiche Trio aus Schiffskapitän Driscoll, ehrgeizigem Regisseur Carl Denham (Robert Gregor Kühn) und der Schauspielerin Ann Darrow (Irene Eggerstorfer) auf den Weg machen, den Riesenaffen vor die Kamera zu bekommen.

„King Kong“ (Foto: Nathalie Kroj)

Irene Eggerstorfer überzeugt als ambitionierte, aber bislang erfolglose New Yorker Schauspielerin und stiehlt den Herren in mehrfacher Hinsicht die Show. Es gelingt ihr allein schon durch ihre Mimik, eindrucksvoll alle durchlaufenden Gefühlszustände darzustellen. Gepaart mit komödiantischem Timing und einem mühelosen Meistern der Partitur mit vielen glasklaren hohen Tönen, scheint sie ihr Lied „Jetzt bin ich mal dran“ auch genauso zu meinen und sich als ernst zu nehmende Schauspielerin durchsetzen zu wollen. So schafft sie es nur auf zwei großen, aufeinander stehenden Holzboxen sitzend, der Boden lediglich einen Meter entfernt, in ihrem Gesicht die wahre Angst zu zeigen, die man empfinden kann, wenn man an der Außenfassade des Empire State Buildings hängt.

Kühn und Ewig müssen sich da schon etwas anstrengen, mit der Leistung ihrer Kollegin mitzuhalten. Doch finden auch sie sich in ihren Rollen zurecht, und es macht Spaß, die Entwicklung der Charaktere zu beobachten, wie aus einem Miteinander mehr und mehr ein Gegeneinander wird.

Aber kann das kleine Musical über den großen Affen, den man gar nicht zu Gesicht bekommt, wirklich vollends überzeugen? Es bedarf schon einiges an Fantasie, sich auf dieses Stück einzulassen. Es wirkt alles eher mystisch und mehrschichtig, statt abwechslungsreicher Up-Tempo-Nummern bleibt die Musik meist gleichförmig und sehr Moll-Akkord-lastig, als ob die Angst vor King Kong ständig mitschwingt. Während sich im ersten Akt die Spannung bis zum Eintreffen auf Skull Island hinreichend aufbauen kann, macht man zu Beginn des zweiten Akts Bekanntschaft mit den Eingeborenen der Insel, wofür die drei Personen durch Kostüme auf dem Rücken auch mal kurzzeitig andere Identitäten annehmen. Auf der Insel angekommen, entwickelt sich zunehmend der Kampf ums Überleben – und obwohl es gelingt, von der Insel zurück nach New York zu fliehen, blickt man in menschliche Abgründe.

Das Musical „King Kong“ hat Niveau, die Aufführung in Sankt Wendel ist klein und fein, aber ambivalent. Die Auswahl der Mitwirkenden sowie die Licht- und Tonausstattung sprechen für eine ernst zu nehmende Produktion, die Bühnengestaltung und -ausstattung dürfte aber gern noch etwas professioneller ausfallen.

Text: Nathalie Kroj

Nathalie Kroj sammelte Erfahrungen bei thatsMusical und Musical1, bevor sie als Autorin zu kulturfeder.de kam, um hier ihre Leidenschaft für Musicals mit dem Schreiben zu verbinden.