„Himmlische Zeiten“ (Foto: Dominik Lapp)
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Gute-Laune-Alarm: „Himmlische Zeiten“ auf Tour

Treffen sich vier Frauen in einer Privatklinik. Nein, das ist kein Witz, sondern der Anfang des Musicals „Himmlische Zeiten“, dem dritten und letzten Teil einer beliebten Trilogie, die nach Beziehungskisten („Heiße Zeiten“) und Hochzeitswahn („Höchste Zeit“) nun die Themen Altwerden, Schönheits-OPs und späte Scheidung aufs Korn nimmt – und das kommt beim Publikum der aktuellen Tour sehr gut an.

Dieses Mal treffen die Karrierefrau (Franziska Becker), die Vornehme (Ursula Berlinghof), die Hausfrau (Angelika Mann) und die Junge (Laura Leyh) also in einer Privatklinik (hübsche Ausstattung: Cary Gayler) aufeinander. Die Karrierefrau hat dort für eine komplette Runderneuerung eingecheckt, die befreundete Hausfrau kommt vorbei, um sie zu besuchen, hat einen schönheitschirurgischen Eingriff aber selbst nicht nötig, denn „meine Falten habe ich mir weggefressen“, sagt sie in Anspielung auf ihren rekordverdächtigen Body-Mass-Index. Dann sind da noch die Junge, die sich als Hochschwangere in der Station geirrt hat, und die im Rollstuhl sitzende Vornehme, die eher in die Psychiatrie als in die Schönheitschirurgie gehört.

In ihrer Revue thematisieren Tilmann von Blomberg (Buch) und Carsten Gerlitz (Songtexte und Arrangements) die Symptome des Älterwerdens und die Angst vor dem Ende. Das bietet genug Zündstoff für ein komödiantisches und musikalisches Feuerwerk der besonderen Art. In der temporeichen Inszenierung von Katja Wolff, die durch die Choreografie von Andrea Danae Kingston zusätzlichen Drive erhält, bekommt die eine des Quartetts noch ein Kind, die andere langsam Alzheimer, die dritte im Bunde hängt ihre Karrierepläne an den Nagel und die vierte stirbt und wird ein Geist.

Das alles klingt nach einem großen Klamauk, funktioniert aber hervorragend, weil sich Tilmann von Blomberg als Meister des Wortwitzes erweist und Carsten Gerlitz (übrigens der Vater von Musicaldarstellerin Lina Gerlitz) passende Popsongs ausgesucht sowie wunderbare neue deutsche Texte dafür geschrieben hat. Statt „Holdig out for a Hero“ heißt die Forderung nun „Die Welt braucht Omas“ und statt „All Night long“ wird „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ gefragt. Schräg? Durchaus, aber passend.

Die vier Darstellerinnen bringen eine Spielfreude mit, die sich sofort auf das Publikum überträgt. Angelika Mann gibt eine patente Hausfrau mit herrlicher Berliner Schnauze. Sie und ihr Mann haben Schulden, das Dach ist undicht, das Geld für die Reparatur fehlt. Mann ist schauspielerisch so stark und überzeugend, dass sie damit exzellent kleinere gesangliche Defizite überspielt. Grandios in Schauspiel und Gesang ist zudem Franziska Becker als Karrierefrau, für die der Job an erster Stelle steht. Doch sie muss schlussendlich erkennen, dass ihr Botox und Fettabsaugung die Jugend nicht zurückbringen.

Laurah Leyh gibt als die Junge eine hochschwangere Heulsuse, deren Mann sich mit einer 19-Jährigen vergnügt. Das Gefühlschaos spielt Leyh perfekt, auch stimmlich weiß sie zu überzeugen. Als letzte im Bunde spielt Ursula Berlinghof als Vornehme eine Frau mit großem Herz, die an Alzheimer erkrankt ist und mit ihren teilweise absurden Einwürfen für die meisten Lacher sorgt.

So wird auf der Bühne zwei Stunden lang geheult und gegackert. Es werden Pläne geschmiedet und genauso wieder verworfen. Das Publikum lacht viel, klopft sich auf die Schenkel und hat einen fantastischen Abend – also wirklich „Himmlische Zeiten“ mit Gute-Laune-Alarm!

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".