
Braune Tapete, bunte Wahrheit: „Familie Braun“ in Dresden
Die Comödie Dresden zeigt mit „Familie Braun“ ein Theaterstück, das schon als Fernsehserie für Kontroversen sorgte und auf der Bühne seine satirische Schärfe noch deutlicher entfaltet. Regisseur William Danne versteht es, Tempo, Timing und Personenführung so präzise zu gestalten, dass jeder Dialog sitzt und jede Pointe trifft, ohne den bitteren Kern der Geschichte zu verwässern.
Im Zentrum stehen die beiden Neonazis Thomas und Kai, die in ihrer Plattenbauwohnung von einer unerwarteten Konfrontation überrascht werden: Thomas‘ sechsjährige Tochter Lara, entstanden durch einen One-Night-Stand mit einer Frau aus Eritrea, taucht plötzlich in ihrem Leben auf und stellt die verquere Ideologie der beiden infrage.
Dominik Penschek gibt Kai als stumpfen Neonazi, der in seinen Parolen gefangen bleibt und gerade dadurch die Tragikomik der Figur offenlegt. Luke Bischof als Thomas durchläuft dagegen eine glaubhafte Entwicklung: Anfangs nicht viel mehr als Mitläufer, gewinnt er nach und nach Kontur und wagt schließlich Schritte heraus aus der engen Welt seiner Vorurteile.
Ein besonderer Coup ist die Besetzung der kleinen Lara mit Hans-Jürgen Helsig, der als erwachsener Mann ein sechsjähriges Kind spielt – und dies mit solcher Ernsthaftigkeit und feiner Komik, dass das Publikum sofort in seine Welt hineingezogen wird. Nie kippt das Spiel ins Lächerliche, vielmehr offenbart es, wie sehr Naivität und Unschuld eine festgefahrene Ideologie zum Wanken bringen können.

Mariyama Ebel überzeugt in verschiedenen Rollen, besonders als Hamid, wo sie mit großer Authentizität und ohne jede Überzeichnung agiert. Dorothée Kahler erweist sich als vielseitige Schauspielerin, die zwischen Julia, Laras Lehrerin und weiteren Figuren souverän wechselt und jedem Auftritt eine eigene Farbe gibt.
Florian Angerers Ausstattung verankert die Handlung in einem realistischen Setting. So spielt die Story in einem Wohnzimmer mit Hirschgeweih und Hitler-Porträt an der Wand sowie „Mein Kampf“ im Regal. Doch die starre Ideologie bröckelt nicht nur inhaltlich, sondern auch szenisch. Wenn Lara die Wohnung in ein buntes Kinderparadies verwandelt, genügt ein rasches Abziehen von Tüchern, und plötzlich leuchtet alles in fröhlichen Farben – ein ebenso einfacher wie wirkungsvoller Kniff.
„Familie Braun“ ist einerseits absurd-komisch, andererseits aber keine leichte Kost, weil sich der politisch aufgeladene Stoff als bitterböse Satire entpuppt. Dank der punktgenauen Regie, der überzeugenden Mitwirkenden und der klugen Ausstattung wird der Abend zu einer Mischung aus Gelächter und Nachdenklichkeit. Das Publikum verlässt den Saal bewegt, amüsiert – und mit der Hoffnung, dass sich die braune Tapete der Wirklichkeit vielleicht ebenso leicht abziehen lässt wie auf der Bühne.
Text: Dominik Lapp