Berührende Musical-Verfilmung: „Die Farbe Lila“ im Kino
Unter der Regie von Blitz Bazawule erlebt der weltbekannte Roman „Die Farbe Lila“ von Alice Walker in Form einer Neuverfilmung die Rückkehr auf die Leinwand. Erstmals verfilmt wurde der Stoff im Jahr 1985 von Steven Spielberg. Bazawules Neuverfilmung, bei der Spielberg als Produzent an Bord ist, basiert ebenfalls auf dem Roman sowie auf dem 2005 am Broadway uraufgeführten Musical.
Die Geschichte ist unverändert: Es werden die Lebensumstände afroamerikanischer Frauen in Georgia während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beleuchtet. Im Fokus steht die 14-jährige Celie, die vom eigenen Vater vergewaltigt und zweimal geschwängert wird. Die Babys verkauft er, Celie zwingt er zu einer Ehe mit einem älteren Witwer, den sie nur Mister nennen darf, der sie schlägt und missbraucht.
Regisseur Blitz Bazawule gelingt es, eine sehr gute Balance zwischen dem Elend und der weiblichen Emanzipation zu finden, klammert dabei auch Celies lesbische Momente nicht aus. Darüber hinaus schafft er es, seine Hauptfigur nicht nur als schmerzerfülltes Opfer zu zeigen, sondern als eine Frau, die zunehmend selbstsicherer wird, zu sich findet und am Ende die Entscheidung für ein selbstbestimmtes Leben trifft: „Ich bin arm, ich bin ein Weib und ja, vielleicht bin ich sogar hässlich. Aber ich bin verdammt noch mal noch hier!“
Immer wieder verbindet Bazawule die historische Kulisse der Südstaaten mit Fantasie-Sequenzen wie einer Traumszene, bei der zwischen Celie und der Jazzsängerin Shug Avery eine erotische Verbindung entsteht, während Shug in einer Badewanne liegt, die sich auf einem überdimensionalen Grammofon dreht. In den Musiknummern setzt er auf lebendige Farben und auffällige Pop-Momente, verbindet afrikanische Tänze mit Hip-Hop.
Die Kamera (Dan Laustsen) wechselt zwischen totalen und nahen Einstellungen, pendelt äußerst geschickt zwischen kraftvoller Choreografie (Fatima Robinson) und ruhigen Szenen des Geschehens. Immer das Blackness-Thema im Fokus, entsteht eine insgesamt berührende, mitreißende und bedrückende Emanzipationsgeschichte, bei der man mehrfach den berühmten Kloß im Hals spürt, heftig schlucken und auch Tränen vergießen muss.
Durchweg stark ist die Cast des Films. Grammy-Preisträgerin Fantasia Barrino spielt und singt Celie grandios, nachdem sie die Rolle bereits 2005 am Broadway übernahm. Danielle Brooks gefällt als Sofia und wiederholt damit ihre Rolle, die sie 2015 beim Broadway-Revival spielte. Taraji P. Henson zeichnet ein starkes Bild der Sängerin Shug Avery, Ciara spielt souverän die erwachsene Nettie, während Halle Bailey in der jüngeren Version dieser Rolle strahlt. Aber auch die Herrenriege bleibt schauspielerisch positiv in Erinnerung. Allen voran zeichnet Colman Domingo ein überzeugend widerwärtiges Bild von Celies Ehemann, ebenso Deon Cole als Celies Cater, während Corey Hawkins einen sympathischen Harpo gibt.
Neben der emotionalen Handlung und den großartigen Bildern, ist es natürlich die Musik (Brenda Russell, Allee Willis, Stephen Bray, Kris Bowers), die den Film so lohnend macht. Während die Broadway-Fassung ursprünglich 29 Songs beinhaltete und es beim Revival zehn Jahre später immerhin noch 25 Songs waren, kommen im Film jetzt nur noch 18 Musiknummern zu Gehör – aber die haben es alle in sich und klingen fantastisch, sowohl gesanglich als auch die Arrangements.
Der komplexe Stoff ist mit Inzest, Vergewaltigung, patriarchaler Gewalt und Erniedrigung kein leichter. Doch kommt auch das Streben nach Glück und der Traum von weiblicher Emanzipation nicht zu kurz. Am Ende ist es eine gelungene filmische Umsetzung eines großartigen Musicals. An den Kinokassen scheint sich „Die Farbe Lila“ jedoch zum Flop zu entwickeln: In den USA, wo der Streifen kurz vor Weihnachten 2023 angelaufen ist, brachte er es in rund sieben Wochen zu einem Einspielergebnis von 65 Millionen Dollar, das einem Produktionsbudget in Höhe von 100 Millionen Dollar gegenübersteht.
Text: Dominik Lapp