„Die 7-Typen-Show“ (Foto: Galli Theater Mainz)
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In der Vielfalt einzigartig: „Die 7-Typen-Show“ in Mainz

Wenn man das Galli-Theater in Mainz betritt, eröffnet sich schon beim Eintreten ins Foyer eine besondere Welt, wobei Foyer gar nicht der richtige Begriff ist. Vielmehr handelt es sich um einen kleinen, liebevoll gestalteten Empfangsbereich mit Tresen, an dem durchaus ein Mitglied der Theaterleitung persönlich steht, um die Gäste willkommen zu heißen und Getränke zu verkaufen.

Beim Eintritt in den knapp 40 Quadratmeter großen Theaterraum, dessen Einrichtung und Größe an eine Mischung aus Kabarett-Bühne und Wohnzimmer erinnert, verstärkt sich diese Wohlfühlatmosphäre. Kein riesiges Theater mit Orchestergraben und Loge, sondern ein gemütliches Räumchen mit samtig rot bezogenen Stühlen, vereinzelten Tischen und einer etwa 8 Quadratmeter kleinen schwarzen Bühne ohne Vorhang. Dort sollen sieben Typen auftreten – in der „7-Typen-Show“.

Mit Humor und einer gewissen Portion Ironie erklärt Darsteller (und ebenfalls Leiter des Galli-Theaters Mainz) Kim Manuel Reuter, dass er heute allein auf der Bühne stehen wird und dass jeder einzelne im Publikum diese sieben Typen bereits mitgebracht habe, ein jeder sie kenne. Wer bei diesem Stück ein gemütliches Sich-berieseln-lassen erwartet hat, sollte seine innere „Tranfunzel“ schnellstens zurück ins Bett verbannen.

Auf der schwarzen Bühne stehen in der Ecke lediglich ein E-Piano, eine Westerngitarre und ein Mikrofon, und an der schwarzen Rückwand hängen sieben verschiedene Kostüme, als Prof. Dr. Kim Deuter (Kim Manuel Reuter) sich vorstellt und die folgenden 75 Minuten als eine Reise zu jedem selbst beschreibt. Den sieben Wochentagen, die nicht selten die Bezeichnung der Götter griechischer und römischer Mythologie tragen, ordnet er – nach dem Vorbild Johannes Gallis – einen Typus Mensch zu und führt so durch den Abend.

Als übermüdete, ungewaschene „Tranfunzel“ (Montag) im kackbraun-gestreiften 80er-Jahre-Bademantel und Schlafmütze auf dem Kopf, Opas Brille auf der Nase, beklagt er im schnoddrigen südhessischen Dialekt seine gesamten Wehwehchen, hält sich als aggressiver „Fetzer“ (Dienstag) nicht mit großen Reden auf, sondern gibt mit Becken und Gitarre erst mal ein mit kratziger Stimme vorgetragenes „Eye of the Tiger“ zum Besten und beschwert sich als überheblicher „Großkotz“ (Donnerstag) darüber, dass auf der viel zu mickrigen Bühne ja nur ein olles E-Piano und kein Steinway stehe.

Zur Höchstform läuft er jedoch als klatschsüchtiges „Lästermaul“ (Mittwoch) auf, das mit Pfauenfederfächer, Federboa, Fransenschal und grünem Samtturban ein wenig an eine Jahrmarkt-Wahrsagerin erinnert. Das Lästermaul genießt schon zu Beginn seines Auftritts den Geruch des Angstschweißes beim Publikum, als es ankündigt, ein paar Anwesende mit ganz außergewöhnlichen Namen kennen lernen zu wollen. Es ist den Umsitzenden anzusehen, dass alle intensiv über ihre Namen nachdenken. Warum haben mich meine Eltern nicht Erna Müller genannt? Doch das Lästermaul kennt keine Gnade, es verlässt die Bühne, mischt sich unter die Anwesenden und verwickelt das Publikum in ein Gespräch. An dieser Stelle genießen wir Impro-Theater vom Feinsten. Passend zum Charakter beschließt das Lästermaul seinen Auftritt mit dem Harmonists-Klassiker „Ein kleiner grüner Kaktus“, nicht ohne das Publikum auch hier in die Darbietung einzubinden.

Auch im weiteren Verlauf des Stücks zeigt Reuter sein präzises Timing in der Impro-Kunst: Als Elvis imitierendes „Flittchen“ (Freitag) mit riesiger Haartolle in babyrosafarbenem Samtjackett begrüßt er seine Ladys (okay, „auch die Gentlemen, aber vor allem … die Ladys“) mit enorm tiefer Stimme, bevor er „I can’t help falling in Love“ sehr überzeugend ins Mikro haucht, während er den Ladys im Publikum heiße zwinkernde Blicke zuwirft. Dank des Lästermauls kennt das Flittchen nun alle Namen und hat sich natürlich prompt in eine Lady verliebt, die von ihm auch eine Rose erhält. Es folgt eine Einladung aufs Hotelzimmer, die das Flittchen auch dann nicht aus der Ruhe bringt, als die Lady darauf verweist, erst ihre Kinder ins Bett bringen zu müssen: Es lädt einfach eine weitere Lady aufs Hotelzimmer ein.

Der „Geizhals“ (Samstag), dessen Lieblingsfarbe grau ist, verweist dann direkt darauf, dass Eltern für ihre Kinder haften, und „Binnix“ steht am Sonntag im viel zu großen Jackett vor den Trümmern seiner – in seinen Augen miserablen – Darbietung. Den verzweifelten, traurigen und immer verunsichert lächelnden „Binnix“ schließt Reuter – wie alle anderen Typen – mit einem Lied ab. „The Rose“ mit deutschem Text bringt er mit klarer und sehr gefühlvoller Stimme in Eigenbegleitung am E-Piano zum Besten und schließt sein Programm mit einem nicht minder gefühlvollen „My Way“ von Frank Sinatra, bei dem er sich ebenfalls selbst begleitet, ab.

Wenngleich die rund 30 Plätze des Theaters nicht ausverkauft sind, so weiß Reuter aber die Anwesenden in den sieben Rollen zu begeistern. Durch Anna Hinrichs’ sparsam, aber effektiv eingesetzte Beleuchtung und musikalische Einspieler kann Reuter deutlich durch sein Schauspiel glänzen. Neben seinem Improvisationstalent beeindruckt er durch deutliche Körpersprache und Mimik, anhand derer schon der Charakter der einzelnen Typen zum Vorschein kommt, auch wenn er noch nicht im Kostüm steckt.

Letzten Endes stellt sich die Frage: Kann man ein Stück von Johannes Galli rezensieren? Kann man dieses Stück rezensieren? Kann man. Aber so ein Text wird nicht annähernd dem Erlebnis gerecht, was Kim Manuel Reuter in seinem niedlichen Wohnzimmertheater musikalisch und schauspielerisch auf die Bühne bringt. Wer mal wieder herzhaft lachen und gleichzeitig ein wenig über sich selbst nachdenken will, der schaut sich diese großartige, auf den sieben Kellerkindern Johannes Gallis beruhende Stück an. Und wer weiß, an welche Typen man sich am nächsten Tag noch erinnert?!

Text: Anna-Lena Ziebarth

Anna-Lena Ziebarth bringt langjährige Erfahrung als Rezensentin mit und war in der Vergangenheit bereits für thatsMusical tätig, bevor sie zu kulturfeder.de kam.