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Unentschlossene Krimi-Musical-Parodie: „Curtains“ in Münster

Der Vorhang im Theater öffnet sich für eine Wildwest-Version von „Robin Hood“. Doch nach der Premiere geht nicht nur der Vorhang zu Boden, sondern auch die Diva Jessica Cranshaw. Ermordet. Es ist der Beginn des Musicals „Curtains“, das am Theater Münster zu sehen ist und sich nicht entscheiden kann, ob es nun Krimikomödie oder Musicalparodie sein will.

Noch bevor die Arbeit an dem Stück vollendet werden konnte, starben die Librettisten Fred Ebb und Peter Stone, so dass Komponist John Kander und Buchautor Rupert Holmes das Stück zu Ende schreiben mussten. Vielleicht wirkt die Story deshalb so unausgegoren, so unentschlossen. Die Geschichte kommt einfach nicht richtig in Gang, der Motor läuft nicht rund.

Dennoch bietet „Curtains“ gute Unterhaltung, denn Regisseur Ulrich Peters hat sich der großen Aufgabe angenommen, das Beste daraus zu machen und eine große Show auf die Bühne zu stellen. Dabei hat er sich mit Bernhard Niechotz einen Ausstatter an die Seite gestellt, der wirklich alles auf die Bühne gezaubert hat, was nur möglich war: In dem Stück-im-Stück entführt er das Publikum in eine beschauliche Westernstadt, in der die Darsteller zeit- und stilgemäße Kostüme in Beige- und Brauntönen oder aus Karostoffen und auch Cowboyhüten tragen, während die Backstage-Handlung in einem Bostoner Kolonialtheater spielt und glanzvolle Kostüme aus der Mitte des 20. Jahrhunderts zu bestaunen sind.

An Personal fährt Peters ebenfalls alles auf, was das Haus zu bieten hat: Opernsänger, Schauspieler, Balletttänzer und Musicalgäste bilden eine homogene Einheit, wie man sie wohl nur selten beim Zusammenspiel mehrerer Theatersparten gesehen hat. Zusammen mit Choreografin Annette Taubmann hat der Regisseur schöne Bilder geschaffen, tolle Massenszenen, gleitende Szenenübergänge und reizende Tanznummern, so dass nicht nur von der Ausstattung her viel fürs Auge geboten wird.

All die optischen Finessen werden von der Musik John Kanders perfekt umrahmt. Ein großer Verdienst von Thorsten Schmid-Kapfenburg am Dirigentenpult, der seine Musiker – die rhythmische Drumklänge, herrlich knackige Bläsersounds und wunderbar schwelgerische Streicherpassagen aus dem Graben ins Auditorium schicken – grandios anfeuert und mit verschiedenen Tempi und einer tollen Dynamik durch die Partitur leitet.

Doch leider vermag auch die schmissige Musik bei „Curtains“ nicht zu verhindern, dass die Handlung immer wieder ins Stocken gerät – nämlich immer dann, wenn sich das Buch mal wieder nicht zwischen Krimikomödie und Musicalparodie entscheiden kann. Dies stellt auch die Darsteller vor die Herausforderung, den ohnehin schon ziemlich eindimensional gezeichneten Charakteren Tiefe zu verleihen.

Ganz großartig macht Boris Leisenheimer seine Sache als musicalbegeisterter Lieutenant Frank Cioffi. Weil jeder des Mordes verdächtig ist, darf während der laufenden Ermittlungen niemand das Theater verlassen. Natürlich sehr zum Vergnügen des Lieutenants. Herrlich anzusehen, wie Leisenheimer als Chefermittler einerseits seinem Job nachkommt und andererseits jede Sekunde in der Nähe der von ihm vergötterten Stars genießt. Er springt hervorragend zwischen dem Polizisten und dem glühenden Musicalfan – eben noch sehr trocken und beredt, greift er im nächsten Moment schon ins Bühnengeschehen des Wildwest-Robin-Hoods ein.

Corinna Ellwanger steht ihm in nichts nach. Mit starker Bühnenpräsenz gibt sie Niki Harris, die naive blonde Zweitbesetzung, die zudem noch höchstverdächtig ist. Aber nicht nur ihr Schauspiel ist überzeugend, auch gesanglich vermag sie zu überzeugen und harmoniert perfekt mit Boris Leisenheimer im Duett.

Als dritte Hauptdarstellerin begeistert Julia Gámez Martin in der Rolle der Georgia Hendricks. Eigentlich Autorin des Stücks-im-Stück, muss sie letztendlich für die ermordete Hauptdarstellerin einspringen und lässt hier mit ihrer sicher geführten Stimme aufhorchen. Ihren Bühnen-Ex-Mann Aaron Fox gibt Ilja Harjes, der mit dem Solo „Mir fehl’n die Lieder“ eine der schönsten Nummern des Abends zu singen hat.

Als Theaterproduzentin Carmen Bernstein gelingt es Suzanne McLeod, sowohl ihr fürs Theater brennendes Herz als auch die kühl kalkulierende Geschäftsfrau zu zeigen. Mit ihren tänzerischen Fähigkeiten nicht zu verstecken braucht sich dagegen Kiara Lilian Brunken. In der Rolle der Bambi Bernét wird sie als Produzententochter von ihrer Mutter ständig schikaniert, kann sich letztlich aber doch durchsetzen und brilliert mit ihrer bockigen, dickköpfigen Darstellung. Und auch Christoph Rinke als Inspizient Johhny Harmon spielt sich mit seiner charmant-liebenswürdigen Art schnell in die Herzen des Publikums.

Nach drei unterhaltsamen, aber doch auch sehr zähen Stunden endet die Musicalvorstellung mit der Präsentation eines Mörders, den ganz sicher niemand auf dem Schirm hatte. Was positiv in Erinnerung bleibt, sind die schmissige Musik, die sehenswerte Ausstattung und die perfekt miteinander agierenden Bühnenkünstler. Und so könnte „Curtains“ eigentlich als ganz wunderbares Unterhaltungstheater gelten – wäre da nicht dieses unentschlossene schwache Buch. Krimikomödie? Musicalparodie? Man weiß es nicht.

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".