„Bethlehem“ in Düsseldorf (Foto: Stiftung Creative Kirche)
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Weihnachtsgeschichte mal modern: „Bethlehem“ in Düsseldorf

Nach dreijähriger Wartezeit infolge der Corona-Pandemie konnten Dieter und Paul Falk (Musik) sowie Michael Kunze (Songtexte) endlich ihr Chormusical „Bethlehem“ in Düsseldorf zur Uraufführung bringen. Zwei Aufführungen sind dort mit rund 3.000 Sängerinnen und Sängern aus mehr als 60 Chören und jeweils etwa 12.000 Zuschauerinnen und Zuschauer über die Bühne gegangen.

Nach „Die 10 Gebote“, „Moses“ und „Luther“ ist es bereits das vierte gemeinsame Werk von Falk/Kunze, wird jetzt aber nicht mehr wie „Die 10 Gebote“ und „Luther“ als Pop-Oratorium, sondern als Chormusical vermarktet. Das Konzept ist jedoch unverändert: In mehr oder weniger konzertanter Art und Weise wird eine Geschichte mit Solistinnen und Solisten sowie einem gigantischen Chor erzählt.

Die Inszenierung von Gil Mehmert, der den ursprünglich als Regisseur angekündigten Andreas Gergen ersetzt, und die Choreografie von Yara Hassan sind recht zurückhaltend, was den Chor auf den Rängen hinter der Bühne umso stärker glänzen lässt. Die Kostüme von Britta Tönne sind unauffällig modern, die Ausstattung (ebenfalls von Tönne) beschränkt sich auf wenige Requisiten und große Bethlehem-Leuchtbuchstaben, die nicht nur als Podeste dienen, sondern auch einen Stall oder den Hof des Herodes andeuten. Michael Grundners Lichtdesign sorgt für eine ansprechende Atmosphäre in der riesigen Veranstaltungshalle.

Thematisiert wird die bekannte Weihnachtsgeschichte um die Geburt Jesu, die allerdings in die Gegenwart transferiert wurde. Ein Einkaufswagen dient dabei als Symbol für das bescheidene Hab und Gut von Maria und Josef, die Ablehnung und Vertreibung sowie die Verweigerung von Asyl und Arbeit erfahren, was stark an die heutige Situation Geflüchteter erinnert. Später dient der Einkaufswagen als Krippe für Jesus.

„Bethlehem“ in Düsseldorf (Foto: Stiftung Creative Kirche)

Musikalisch liefert das Vater-Sohn-Gespann Dieter und Paul Falk eine eingängige Mixtur aus Pop- und Rockklängen, großen oratorienhaften Chorälen, Hip-Hop und Anleihen geistlicher Musik. So richtig in den Gehörgängen festsetzen wollen sich neben der Gospelnummer „Das Leben beginnt“ und dem Titelsong auch die „Verkündigung“ und das Finale, weil sich beide der Melodie des Weihnachtssongs „O come, all ye faithful“ bedienen. Gut ins Ohr geht ebenso der Song „Wenn Gott ein Mensch ist“, der Johann Sebastian Bachs Choral „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ in einem jazzigen Arrangement zitiert. Dargeboten wird die Musik exzellent von einer 15-köpfigen Big-Band (Musikalische Leitung: Dieter Falk und Daniel Rheinbay), während Miriam Schäfer und Danny Neumann den Chor anleiten.

Über zwei Videowände werden zu allen Songs die Texte von Michael Kunze eingeblendet, was vor allem der Textverständlichkeit der zahlreichen Chorpassagen dient – denn der Chor fungiert als der eigentliche Hauptdarsteller und Erzähler der Geschichte, was bei „Bethlehem“ noch deutlicher wird als bei den beiden Vorgängerstücken.

Kunze hält sich größtenteils an die biblische Erzählung, überrascht aber mit einem Plot-Twist, als Herodes von einer Zauberin vergiftet und der von ihm angeordnete Kindermord somit abgesagt wird. Die Botschaft des Stücks betont letztendlich, dass mit jedem neugeborenen Kind die Hoffnung auf eine bessere Welt einhergeht und es sich lohnt, aktiv für eine positive Veränderung einzutreten.

Alina Ju Tchin Simon gibt eine starke Maria, glänzt dabei schauspielerisch wie gesanglich und steht dem gewohnt starken Benjamin Oeser in nichts nach. Beide spielen ihre Rollen authentisch und harmonieren stimmlich wunderbar. Als ihr Gegenspieler verleiht Mischa Mang seinem Herodes ein markiges Profil. Gesanglich können zudem Karolin Konert als Mamba, Julia Lißel als Erzählerin und Bonita Niessen als Engel vollends überzeugen, während Sebastian Wurth, Florian Minnerop und Marlon Wehmeier als Melchior, Balthasar und Caspar besonders mit ihrem Sprechgesang punkten.

Am Ende ist „Bethlehem“ sicher nicht das stärkste Musical. Dennoch transportiert auch dieses neue Werk genauso wie „Die 10 Gebote“ und „Luther“ eine wichtige Botschaft, ist kurzweilig und lebt besonders von den Chorpassagen und dem optisch wie akustisch beeindruckenden Gesamterlebnis. Der anstehenden Tour im Jahr 2024 darf man also mit Spannung entgegensehen.

Text: Christoph Doerner

Nach seinem Studium der Musiktheaterwissenschaft, einem Volontariat sowie mehreren journalistischen Stationen im In- und Ausland, ist Christoph Doerner seit einigen Jahren als freier Journalist, Texter und Berater tätig.