„Augustin“ in Amstetten (Foto: Stefan Sappert)
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Lebensgefühl einer ganzen Generation: „Augustin“ in Amstetten

Mit der Uraufführung des Musicals „Augustin“ bringt der Musicalsommer Amstetten eine Ikone der österreichischen Kulturgeschichte auf die Bühne der Johann-Pölzl-Halle – respektvoll, witzig, musikalisch mitreißend und ganz und gar lokal verankert. Basierend auf dem gleichnamigen Hörspiel von Wolfgang Ambros, Joesi Prokopetz und Manfred Tauchen, erzählt das Stück die Geschichte des sagenumwobenen Wiener Volkssängers, der als Symbolfigur für Lebensfreude und Widerstandskraft gilt – weil er betrunken in eine Pestgrube fiel und überlebte.

Die Reise des „lieben Augustin“ begann bereits im Herbst 2019 mit einer szenischen Lesung im Kabarett Simpl in Wien, wurde im Mai 2023 in konzertanter Form im Theater Akzent weitergeführt – und findet nun ihre formvollendete Entfaltung in Amstetten. Die Bühnenbearbeitung von Thomas Kahry und Christoph Weyers greift das Hörspielmaterial klug auf und verwebt es mit den legendären Songs von Wolfgang Ambros zu einem Abend, dessen Fundament die Musik bildet. Liedtexte und Pointen tragen die Handschrift von Joesi Prokopetz – ein Garant für ironischen Tiefgang und Wiener Schmäh mit Biss.

Regisseur Alex Balga verzichtet auf große dramaturgische Bögen oder eine psychologische Durchdringung der Figuren. Stattdessen baut er seine Inszenierung auf das, was dieses Musical tatsächlich trägt: die Musik, die Atmosphäre und die Figuren als Typen. Das Bühnenbild (ebenfalls von Balga) bleibt puristisch, erzeugt mit wenigen Requisiten und geschicktem Videoeinsatz eine glaubhafte Gasthaus-Welt, die den Charme der Geschichte unterstreicht, ohne sie historisch einzuengen. Aleksandra Kicas Kostüme spielen mit der Zeit: Historische Schnitte treffen auf moderne Streetwear- und Hippie-Anklänge und bilden so eine optische Brücke zwischen Gestern und Heute.

Im Zentrum der Handlung steht Vincent Bueno als Augustin – mit kräftiger Stimme, souveräner Präsenz und der nötigen Portion Lausbubencharme. Er ist kein Held im klassischen Sinn, eher ein müder Idealist mit zu viel Wein im Blut und zu wenig Orientierung, was die Welt im Innersten zusammenhält. Aber genau das macht seine Figur so anrührend. An seiner Seite: Hannah Severin als Corinna, seine solide agierende Partnerin, sowie Matthias Trattner, der als Rudi schauspielerisch wie gesanglich brilliert.

Eine besondere Note erhält der Abend durch die Figur des Todes: Carin Filipcic spielt diese dämonische Instanz nicht als düstere Antagonistin, sondern als energiegeladenes Rock-Chamäleon. Alexandra Frankl gibt mit viel Lust an der Überzeichnung die exzentrische Schwiegermutter Frau Tepser, während Frank Frickel als dauertrunkener Bürgermeister zwischen Groteske und Tragikomödie schwankt – ein schönes Beispiel für den schmalen Grat, den das Stück zwischen Klamauk und Bedeutungsschwere beschreitet. Die beiden Pestknechte, gespielt von Markus Schöttl und Martin Pasching, sind genauso markant wie geschickt in Szene gesetzt.

Choreografin Natalie Holtom entwickelt wirkungsvolle Tanzbilder, die sich dramaturgisch schlüssig in den Ablauf fügen. Doch getragen wird der Abend vor allem von der Musik, umgesetzt durch Christian Frank und seine exzellent aufspielende Band, die dem Austropop-Sound von Ambros mit Drive und Hingabe zu neuem Leben verhilft. Hits wie „Zwickt’s mi“, „A Mensch mecht i bleib’n“, „Zentralfriedhof“ oder „Du verstehst mi net“ sind nicht bloß nostalgisches Füllmaterial, sondern klug und pointiert eingesetzt. Sie evozieren das Lebensgefühl einer ganzen Generation und verbinden das 17. Jahrhundert mit dem Heute durch eine Sprache, die direkter nicht sein könnte.

Text: Patricia Messmer

kulturfeder.de

Patricia Messmer hat Medien und Musik studiert und ein Volontariat zur Onlineredakteurin absolviert. Sie liebt Reisen, Sprache, Musik, Bücher, Filme, Serien und Musicals.