
Interview mit Melanie Gebhard: „Die Rolle der Elphaba war wie ein Sechser im Lotto“
Bevor Melanie Gebhard als Musicaldarstellerin Karriere machte, schlug sie zunächst einen ganz anderen Weg ein. Im Interview spricht sie über ihre ungewöhnlichen Anfänge, große Rollen wie Elphaba in „Wicked“ und warum sie bei „Titanic“ immer wieder von den Emotionen überwältigt wird.
Wie kam es dazu, dass du zuerst eine Ausbildung zur Werbekauffrau gemacht hast, bevor du Musical studiert hast?
Der Wunsch war eigentlich schon immer da. Ich habe mich früh für Musical interessiert, vor allem für Gesang. Aber ich komme vom Land, und da gab es kaum Angebote in diese Richtung – nicht einmal eine Theater-AG in der Schule. Ich hatte nie Gesangsunterricht und habe einfach für mich selbst gesungen. Ein Musicalstudium in Hamburg war damals für mich weit weg. Werbung hat mich ebenfalls interessiert, deshalb habe ich dann eine Ausbildung bei einem Radiosender in Heilbronn gemacht. Dort habe ich unter anderem Veranstaltungen für Hörer und Kunden organisiert.
Hat dir die Arbeit gefallen?
Ja, das hat mir Spaß gemacht, zumal ich da auch ein bisschen mit Musik zu tun hatte. Aber gegen Ende der Ausbildung wurde mir klar: Wenn ich Musical noch ernsthaft machen will, dann jetzt. Ich habe mit 23 Jahren die Musicalausbildung begonnen – das ist nicht das übliche Alter, aber es war genau richtig für mich. Man sieht ja, es hat funktioniert.
Könntest du dir heute noch vorstellen, einen Bürojob zu machen?
Manchmal wünsche ich mir tatsächlich etwas Geregelteres. Ein Bürojob könnte interessant sein, aber die Aufgabe müsste reizvoll sein. Natürlich bietet so ein Job mehr Sicherheit und Sesshaftigkeit, was immer wieder ein Thema ist – gerade, wenn man darüber nachdenkt, wie es später einmal weitergeht.
Zwei Jahre nach Abschluss deiner Musicalausbildung hast du im Musical „Wicked“ die Rolle der Hexe Elphaba gespielt. Wie war das damals, in so einer großen Long-Run-Produktion zu stehen?
Eine großartige Erinnerung! Für mich ist damit ein Traum in Erfüllung gegangen. Schon während der Schulzeit hatte ich mich für viele Long-Runs beworben. Meine ersten Engagements waren bei „Elisabeth“ in Eisenach, auf Tour mit „Hello, Dolly!“ und beim „Fliegenden Holländer“ in Stuttgart. Aber diese große Long-Run-Erfahrung wollte ich unbedingt machen. Die Rolle der Elphaba war wie ein Sechser im Lotto, so dass die drei Jahre bei „Wicked“ definitiv zu den Höhepunkten meiner Karriere gehören.
Wie hast du dich auf die Rolle vorbereitet? Hast du den „Zauberer von Oz“ gelesen oder den Film geschaut?
Tatsächlich nicht. Den „Zauberer von Oz“ habe ich erst später gelesen. Als Kind hat mich die Geschichte nicht so richtig gepackt. Für die Audition habe ich mich eher durch Freunde und Kollegen informiert. Elphaba ist eine komplexe Figur, und in einigen Facetten konnte ich mich selbst wiederfinden.
Was war die größte Herausforderung an der Rolle?
Sowohl der schauspielerische als auch der gesangliche Teil waren fordernd. Man ist fast durchgehend auf der Bühne und hat kaum Pausen – das ist körperlich anstrengend, aber auch toll, weil man so tief in der Rolle bleibt.
Momentan spielst du Kate Mullins in „Titanic“ bei den Bad Hersfelder Festspielen. Wer ist diese Frau?
Kate Mullins ist eine von drei irischen Auswanderinnen, die in Amerika ein neues Leben anfangen wollen. Sie stammt vom Land, ist aber modisch interessiert und möchte Schneiderin werden. Im Gegensatz zu den anderen Kates ist sie etwas eleganter und träumerischer.
Wenn man ein Stück spielt, das auf einer wahren Begebenheit basiert, nimmt einen das emotional stärker mit?
Auf jeden Fall. Schon in den Proben war es sehr emotional, weil wir uns intensiv mit den Schicksalen der Menschen beschäftigt haben. Auch bei den Vorstellungen nimmt mich das immer wieder mit – besonders, wenn die Tragödie und die Verluste spürbar werden.
Hast du dich speziell auf die Rolle vorbereitet, zum Beispiel durch Dokumentationen?
Ja, wir haben viele Dokumentationen geschaut und uns intensiv mit den Figuren auseinandergesetzt. Bücher zu lesen habe ich zeitlich leider nicht mehr geschafft, aber ich habe mich viel mit dem Stück und meiner Rolle beschäftigt.
Das Musical „Titanic“ hat nichts mit dem berühmten Film von James Cameron zu tun. Was macht für dich den Reiz des Musicals aus?
Es ist großartig komponiert und inszeniert. Die wahre Geschichte der Titanic zieht die Menschen immer noch in ihren Bann. Auch wenn alle wissen, wie es endet, erlebt man die Geschichte auf der Bühne neu und intensiv.
Die Musik von „Titanic“ ist sehr klassisch und groß orchestriert. Ist das eine besondere Herausforderung für die Stimme?
Ja, definitiv. Man muss die Stimme klassischer einstellen, was eine Herausforderung ist. Aber genau das macht auch Spaß – sich auf verschiedene Musikstile einzustellen und diese Bandbreite zu nutzen.
Als Zuschauer habe ich den Eindruck, dass die Chorszenen einen regelrecht mitreißen.
Absolut! Besonders das Opening ist ein großartiger Moment, der das Publikum richtig mitnimmt. Die Musik und die Inszenierung tragen enorm dazu bei, dass „Titanic“ so emotional wirkt.
Interview: Dominik Lapp