
Unsichtbar war gestern: Wie Musicalschaffende gewerkschaftlich für ihre Rechte kämpfen
Von außen eine noch eher unscheinbare Gruppe, von innen ein leistungsstarker Motor: Mit dem neu gegründeten Department Musical innerhalb der Gewerkschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA) wollen engagierte Musicalschaffende nicht weniger als die Spielregeln im Musiktheater verändern – solidarisch, sichtbar und politisch.
Wenn Joyce Diedrich über Arbeitsrecht spricht, klingt das nicht nach Paragrafenreiterei, sondern nach gelebtem Alltag. „Viele Kulturschaffende wissen gar nicht, was ihnen als Gäste am Theater für Rechte zustehen“, sagt sie. Seit zehn Jahren steht Diedrich als Musicaldarstellerin auf der Bühne, arbeitete aber auch im Künstlerischen Betriebsbüro, ist als Regisseurin, Abendspielleiterin und Künstlerische Leiterin tätig. Inzwischen engagiert sie sich außerdem hinter den Kulissen – für bessere Bedingungen, mehr Wissen, mehr Mitsprache. Innerhalb der GDBA hat sie mit Kolleginnen und Kollegen eine eigene Gruppe ins Leben gerufen – das Department Musical.

Ein mutiger Schritt in einem Berufsfeld, das oft durch Unsicherheit geprägt ist – und durch Vereinzelung. „Ich habe Menschen mit 20 Jahren Berufserfahrung getroffen, die nie einen Blick in einen Tarifvertrag geworfen haben“, erzählt Joyce Diedrich. Viele wüssten nicht einmal, dass es oft tarifliche Mindestgagen für ihre Tätigkeit gibt – oder dass sie sich als Gäste an einem Theater auch an den Betriebsrat wenden dürfen. In einer Branche, in der der Alltag von kurzfristigen Engagements, Nebentätigkeiten und prekären Bedingungen bestimmt wird, können Angst und Unwissenheit schnell zur Selbstausbeutung führen.
Von der Bühne in den Beirat
Der gewerkschaftliche Weg der Musicaldarstellerin begann im Jahr 2020, mitten in der Corona-Pandemie. Die Theater waren geschlossen, Engagements geplatzt. „Damals gab es Probleme mit dem Intendanten an einem Theater – das war für mich der Auslöser, mich stärker zu informieren und einzubringen.“ Zur gleichen Zeit kam Bewegung in die Bühnengewerkschaft. Mit der Wahl von Lisa Jopt zur Präsidentin veränderte sich nicht nur das Gesicht der GDBA, sondern auch ihr Ton: jünger, digitaler, zugänglicher. Intern nannte man es scherzhaft „Wind of Change“ – für Diedrich war es eine Einladung, mitzugestalten. Sie wurde Beiratsvorsitzende und saß regelmäßig bei Hauptvorstandssitzungen mit am Tisch. „Ich bin keine Juristin“, sagt sie, „aber ich kann durch meine verschiedenen Berufserfahrungen mehrere Perspektiven einbringen – und das wird gebraucht.“

Das neue Department: Kleine Gruppe, große Pläne
Die Gründung des Departments Musical war kein lang geplanter Coup, sondern ein Impuls. Zwei Schwerpunkte stehen dabei im Fokus: Arbeitsrecht und Sichtbarkeit. Es geht um juristisch abgesicherte Informationen, verständlich aufbereitet – etwa in Form einer Handreichung, einem Rechte-ABC für Musicalschaffende. Gleichzeitig soll die Community gestärkt werden – durch regelmäßige Zoom-Treffen, gezielte Projektarbeit in Kleingruppen, Austausch auf Augenhöhe. Dabei versteht sich das Department ausdrücklich nicht als Konkurrenz zu bestehenden Institutionen wie der Deutschen Musical Akademie, sondern als Ergänzung – oder vielleicht auch als Korrektiv.
Dass sich all das nicht nur auf Funktionärsebene abspielt, zeigen die Treffen, die mittlerweile regelmäßig stattfinden – teilweise vor Ort, teilweise digital. „Man merkt einfach, wie groß das Bedürfnis ist“, sagt Joyce Diedrich. Das Bedürfnis nach einer politischen, solidarischen Gemeinschaft werde – gerade nach den harten Jahren der Pandemie und im aktuellen politischen Klima – wieder stark.
Keine Gegner, aber klare Positionen
Beim Department Musical, das im Kernteam mittlerweile aus elf ehrenamtlichen Personen besteht, geht es nicht um Konfrontation. „Wir haben hier keine Musical-Antifa gegründet“, sagt die Musicaldarstellerin, die nebenbei Kulturmanagement studiert, mit einem Augenzwinkern. Es gehe vielmehr darum, das diffuse Unbehagen von Kolleginnen und Kollegen ernst zu nehmen – und in konkrete produktive Schritte zu überführen: juristisch, organisatorisch, gemeinschaftlich. Das solle nicht belehrend sein, sondern verbindend. Vielleicht ist genau das die große Stärke dieser Initiative: dass sie nicht nur die Bühnen kennt, sondern auch die Lücken dazwischen – und bereit ist, diese zu füllen. Stück für Stück. Probe für Probe. Paragraf für Paragraf.
Text: Dominik Lapp