„Sherlock Holmes – Next Generation“ (Foto: Dominik Lapp)
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Probenreport: In Hamburg kommt „Sherlock Holmes – Next Generation“ auf die Bühne

Ein jedes Kind dürfte wissen, dass Sherlock Holmes, der wohl berühmteste Detektiv der Welt, in der Londoner Baker Street zu Hause ist. Aktuell wird er aber regelmäßig in einer Seitenstraße im Hamburger Stadtteil Altona gesichtet. Dort nämlich befindet sich die Stage School, Hamburgs renommierte Musicalschule, in der seit mehr als 30 Jahren Musicaldarsteller ausgebildet werden. Und in jener Schule haben Kreativteam und Ensemble des neuen Musicals „Sherlock Holmes – Next Generation“ vorübergehend Quartier bezogen, um die Uraufführungsproduktion einzustudieren, damit sie am 21. Januar 2019 im benachbarten First Stage Theater über die Bühne gehen kann.

Ein Musical über Sherlock Holmes ist es also, das nach den beiden großen Kinofilmen mit Robert Downey jr. und Jude Law und der TV-Serie „Sherlock“ kommt. Sicher ein cleverer Schachzug, auf den Hype aufzuspringen. „Nicht ganz“, sagt Rudi Reschke, von dem nicht nur Idee und Konzept für das neue Musical stammen, sondern der auch an dem Buch mitgeschrieben hat und als Regisseur fungiert. „Die Idee zu unserem Musical hatte ich nach dem ersten Kinofilm und noch bevor die TV-Serie herauskam“, so Reschke. Vielmehr war es im Jahr 2011 so, dass die Hamburger Musicalproduktionsfirma Stage Entertainment auf der Suche nach neuen Stoffen war. „Der damalige Stage-Geschäftsführer Johannes Mock-O’Hara sagte, wir sollten uns mit Ideen an ihn wenden. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen“, erinnert sich der Autor und Regisseur von „Sherlock Holmes – Next Generation“.

„Sherlock Holmes – Next Generation“ (Foto: Dominik Lapp)

Co-Autor ins Boot geholt und Komponisten gefunden

Rudi Reschke begann zu schreiben und holte sich mit Jo Quirin einen Co-Autoren ins Boot. „Da ich selber in verschiedenen Produktionen auf der Bühne stehe, viele Jahre in ‚Tarzan‘ gespielt habe, war schnell absehbar, dass ich das nicht alleine leisten kann, ein Musical zu schreiben.“ Für die Filme hat kein Geringerer als Filmmusikgröße Hans Zimmer die Musik geschrieben. In Reschkes Musical wird Zimmers Musik allerdings nicht zu Gehör kommen. „Aber wir haben mit Christian Heckelsmüller einen fantastischen Komponisten gefunden, der uns wunderbare Musik geschrieben hat“, verrät Rudi Reschke.

Obwohl es sich bei Sherlock Holmes um eine von dem Autor Arthur Conan Doyle erdachte Figur handelt, ist das Musical aus der Feder des Teams Reschke-Quirin-Heckelsmüller ein originärer Stoff. Das Stück basiert nämlich weder auf einem Fall aus Doyles Büchern noch auf einem Film oder einer Serie. „Wir haben unseren eigenen Holmes-Fall geschaffen“, berichtet Jo Quirin. „Und wir haben vorher geschaut, was es von Sherlock Holmes schon alles gibt“, ergänzt Rudi Reschke. „Es gibt Sherlock Holmes als Junior und als alten Mann. Deshalb wollten wir etwas Neues bringen.“

Ein junger Partner an der Seite des Meisterdetektivs

So entstand die Idee zum Untertitel des Musicals: Next Generation. Das Autorenteam hat neben dem Meisterdetektiv einen jungen Partner namens John erschaffen, der sich im Verlauf der Handlung als Sherlocks Sohn herausstellt. Vater und Sohn werden also gemeinsam Verbrechen aufklären. „Aber natürlich gibt es auch bei uns Doktor Watson“, weiß Jo Quirin die Holmes-Fans zu beruhigen.

„Sherlock Holmes – Next Generation“ (Foto: Dominik Lapp)

Das Konzept von „Sherlock Holmes – Next Generation“ klingt so einfach wie genial: „Ein etablierter Darsteller spielt Holmes in der Form, wie wir ihn kennen, mögen oder auch merkwürdig finden. An seine Seite stellen wir einen jungen Mann, der auch den Drang verspürt, etwas zu erforschen und beeindruckt ist vom Senior“, erläutert Rudi Reschke die Idee des Autorenteams. Weil sie dem alten Holmes einen jungen Holmes an die Seite stellen, wollen die Macher den Vater aller Detektive nahbarer machen.

Auf viele Jahre der Entwicklung folgten Rückschläge

Viele Jahre haben die Autoren an ihrem Musical geschrieben, mehrere Buchfassungen angefertigt. „Am Anfang habe ich noch darüber gelacht, dass die Entwicklung eines Broadway-Musicals schon mal sechs bis zehn Jahre dauert“, so Reschke. „Ich wollte es in zwei Jahren schaffen.“ Von dem Plan musste sich der kreative Kopf schnell verabschieden, weil er und seine Mitstreiter selbst auf der Bühne standen, in andere Projekte involviert waren, Verträge zu erfüllen hatten. „Außerdem waren wir nicht immer in derselben Stadt, die Kommunikation lief übers Internet.“ Und dann blieb das Material für „Sherlock Holmes – Next Generation“ auch mal liegen, weil gar keine Zeit war.

„Sherlock Holmes – Next Generation“ (Foto: Dominik Lapp)

Selbst Rückschläge musste das Team einstecken, da man auf falsche Partner gesetzt hatte, die das Projekt nicht voranbrachten. Also sollte ihr Musical ohne einen externen Produzenten das Licht der Welt erblicken. „Wir haben eine Firma gegründet und unser privates Geld reingesteckt“, berichtet der Autor und Regisseur nicht ohne Stolz. „Wir arbeiten dabei selbstlos, ohne Blick auf Profit, weil wir erst mal mit dem Stück rauskommen wollen.“

Mit Thomas Gehle hat man einen Theaterbetreiber gefunden, der den Machern von „Sherlock Holmes – Next Generation“ nicht nur sein First Stage Theater, sondern auch die Probenräumlichkeiten in der Hamburger Stage School zur Verfügung stellt. „Dafür sind wir ihm unheimlich dankbar“, bekräftigen die Kreativköpfe, die auch froh sind, durch ihre guten und langjährigen Kontakte sehr namhafte Darsteller für ihr Stück gefunden zu haben. So wird mit Ethan Freeman einer der profiliertesten Musicaldarsteller im deutschsprachigen Raum die Titelrolle übernehmen. Schon bei den Proben wird schnell klar, dass er eine Idealbesetzung für den Meisterdetektiv zu sein scheint – so stark klingt sein Gesang, so fesselnd ist sein Schauspiel.

„Sherlock Holmes – Next Generation“ (Foto: Dominik Lapp)

Hauptdarsteller feilt bis zum Schluss an körperlichen und stimmlichen Details

Durch den Einfluss seines Vaters war Freeman bereits als Jugendlicher ein leidenschaftlicher Leser der Sherlock-Holmes-Geschichten. „Mein Vater kannte sozusagen alle Geschichten auswendig und hatte eine Art Expertenstatus, wenn es um Sherlock Holmes ging“, berichtet der Künstler. Bei der Darstellung, so sagt Freeman, sei es ihm wichtig, niemanden zu kopieren, sondern seine eigene Interpretation für Holmes zu finden. Bei einer Rolle, die so weltbekannt ist, eine große Herausforderung. „Aber ich habe mir nie den Druck gemacht, dass mein Sherlock ein Sherlock sein wird, wie man ihn sich vorstellt“, erzählt Ethan Freeman. „Ich habe viel gearbeitet an der Darstellung, den Ansichten und dem Inneren der Figur, sowohl in der strukturierten als auch der detaillierten Probenphase. Auch in den Endproben arbeite ich immer weiter an so einer Rolle, um neue Facetten zu finden und an körperlichen und stimmlichen Details zu feilen.“

Teamwork von Regisseur und Darstellern

Enorm wichtig ist zudem das Zusammenspiel von Regisseur und Darstellern. Rudi Reschke berichtet, dass er sich im Probenprozess als eine Art Assistent für die Schauspieler versteht. „Es geht darum, das Konträrste aus einem Schauspieler herauszuholen, was hinterher die Dramaturgie auf der Bühne spannend macht“, so Reschke, der niemand sein will, der seinen Schauspielern etwas vorspielt, sondern gemeinsam mit ihnen eine Rolle erarbeitet.

Die Erarbeitung einer Rolle ist immer Teamwork. Das weiß auch Ethan Freeman. „Rudi und ich finden sehr viel zusammen, aber er gestattet mir auch, Vorschläge zu machen und mich darüber zu äußern, wie ich die Figur sehe“, erklärt der Künstler die Zusammenarbeit mit dem Regisseur. So soll am Ende eine Figur entstehen, mit der sowohl der Regisseur als auch der Darsteller zufrieden ist. „Dabei stellen wir uns die Frage, was mit der Figur passiert und was seine Beweggründe, Ziele und Bedürfnisse sind“, erläutert Freeman. Ob das letztendlich beim Publikum ankommen wird, zeigt sich in Kürze, wenn sich in Hamburg zum ersten Mal der Vorhang für „Sherlock Holmes – Next Generation“ hebt.

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".