Barlach und Kollwitz in Osnabrück (Foto: Dominik Lapp)
  by

Wie man moderne Kunst versteht – 7 Tipps für neugierige Augen

Es gibt kaum ein Thema, das so viele Diskussionen auslöst wie zeitgenössische Kunst. Ein bunter Farbklecks auf einer Leinwand, ein zerknülltes Blatt Papier auf dem Boden oder ein Raum voller Neonröhren – viele stehen davor und fragen sich: Ist das Kunst oder kann das weg? Warum ist diese Kunst nicht so einfach wie eine 20Bet Erfahrung? Sollte man lange darüber nachdenken oder einfach vorbeigehen und vergessen?

Mach dir keine Sorgen darüber. Wir helfen dir dabei.

1. Hör auf, Kunst „richtig“ verstehen zu wollen

Für Anfang lass den Druck los. Kunst muss nicht verstanden werden wie eine Matheaufgabe. Viele Werke wollen keine klare Antwort geben. Stattdessen geht es darum, was du beim Ansehen fühlst oder denkst. Vielleicht ruft ein Gemälde Unbehagen hervor, vielleicht Neugier. Beides ist gut. Kunst ist kein Rätsel, das du lösen musst. 

Ein gutes Beispiel dafür ist Gerhard Richter. Seine Werke schwanken zwischen Fotorealismus und völliger Abstraktion. Er selbst sagt oft, dass er keine endgültige Bedeutung in seinen Bildern sieht. Das erlaubt dem Betrachter, sich selbst in der Kunst wiederzufinden – ohne eine vorgeschriebene Interpretation.

2. Stell Fragen – aber nicht nur an das Werk

Wenn du ein Kunstwerk siehst, frag dich nicht sofort, Was soll das darstellen? Frag lieber: Warum könnte der Künstler das so gemacht haben? Oder: Was löst es in mir aus? Wenn du in einer Ausstellung bist, lies ruhig den Text an der Wand, aber bleib kritisch. 

3. Kenne den Kontext

Viele Werke der Gegenwartskunst funktionieren nicht ohne Hintergrund. Ein schwarzer Punkt auf weißem Papier kann sinnlos wirken – bis du erfährst, dass es um das Thema Einsamkeit geht. Wenn du weißt, wann und in welchem gesellschaftlichen Klima das Werk entstanden ist, verändert sich alles. Lies über den Künstler, seine Zeit, seine Beweggründe. Schau Interviews, Dokumentationen oder kurze Artikel über seine Arbeit. So wird Kunst lebendiger, weil du ihre Wurzeln verstehst.

Zum Beispiel: Ai Weiwei baut seine Kunst auf politischem Widerstand auf. Seine Installationen aus alten Türen, Porzellan oder Holz zeigen oft die Zerstörung von Tradition durch Macht. Wenn du seinen Hintergrund als Dissident in China kennst, erkennst du in jedem Werk ein Stück Protest.

4. Geh zu Ausstellungen – und trau dich zu reden

Museen und Galerien wirken manchmal einschüchternd, aber das ist unnötig. Viele Kuratoren und Künstler freuen sich über Fragen. Sag ruhig, dass du etwas nicht verstehst. Niemand wird dich auslachen. Oft entsteht gerade aus solchen Gesprächen ein echter Zugang zur Kunst. Besuch auch kleinere Ausstellungen, Off-Spaces oder Künstlerateliers. Dort ist die Atmosphäre lockerer, persönlicher und du lernst, wie unterschiedlich Kunst gedacht werden kann.

In kleineren Galerien kannst du zum Beispiel Werke von Emerging Artists sehen, die noch experimentieren. Vielleicht hängen dort Gemälde aus Wachs, Fotos mit zerstörten Oberflächen oder Installationen mit Geräuschen – und du darfst direkt mit den Künstlern sprechen. Diese Gespräche machen Kunst plötzlich greifbar.

5. Such Verbindungen zu deinem Alltag

Zeitgenössische Kunst erzählt nicht nur von großen politischen Themen. Sie handelt auch von Dingen, die du kennst: Social Media, Konsum, Körperbilder, Einsamkeit, Klimakrise, Beziehungen. Wenn du diese Verbindung erkennst, öffnet sich die Tür sofort.

Ein Beispiel dafür ist Banksy. Seine Werke tauchen auf Straßenwänden auf, meist ironisch und gesellschaftskritisch. Er greift Themen auf, über die wir täglich reden – Krieg, Kapitalismus, Freiheit. Seine Kunst ist verständlich, weil sie aus unserer Welt stammt, aber sie zwingt uns, genauer hinzusehen.

6. Lass Humor und Emotionen zu

Nicht jede Ausstellung ist ernst. Viele Künstler arbeiten mit Ironie, Witz oder sogar Albernheit. Wenn du lachst, dann ist das kein Fehler, sondern genau das, was gewollt ist. Ebenso darfst du dich ärgern oder verwirrt fühlen. Ein gutes Beispiel ist Maurizio Cattelan. Der Künstler der berühmten „Banane an der Wand“ wollte mit seinem Werk nicht einfach provozieren, sondern über den Kunstmarkt selbst lachen. Er zeigte, wie leicht etwas Bedeutung bekommt, wenn es im Museum hängt. 

7. Besuch Performances oder Installationen

Zeitgenössische Kunst ist oft mehr als Malerei oder Skulptur. Viele Künstler arbeiten mit Bewegung, Klang, Licht oder Interaktion. Geh zu einer Performance oder betrete eine Installation. Es ist ein Erlebnis, kein Objekt.

Einer von diesen Künstlern ist Olafur Eliasson. Er schafft etwa Räume aus Nebel, Spiegeln und Licht, in denen man sich selbst und die Umwelt anders wahrnimmt. In seinem Werk The Weather Project verwandelte er die Tate Modern in London in eine riesige künstliche Sonne. Besucher lagen auf dem Boden und blickten in das warme Licht – wie an einem echten Sommertag.

Kunstverständnis wächst mit der Zeit. Es gibt Werke, die dich heute kalt lassen und dich in ein paar Jahren plötzlich berühren. Das hat nichts mit Intelligenz zu tun, sondern mit Erfahrung. Je mehr du siehst, desto mehr entwickelst du ein Gespür dafür, was dich anspricht.

kulturfeder.de

Das Onlinemagazin kulturfeder.de schlägt seit dem Jahr 2006 eine Brücke zwischen Special-Interest- und Fachmagazin und spricht deshalb zwei Zielgruppen an: diejenigen, die sich für kulturelle Themen interessieren und diejenigen, die kulturelle Themen machen. Dabei ist kulturfeder.de genauso informativ wie unterhaltsam. Unsere Texte sind anspruchs- und gehaltvoll, aber voraussetzungsfrei zu lesen.