„Wie es euch gefällt“ (Foto: Nancy Heusel)
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Banale Story: „Wie es euch gefällt“ in Hannover

Nein, Shakespeare hat natürlich keine Musicals geschrieben. Dieses Theatergenre war zu seinen Lebzeiten ja noch gar nicht erfunden. Und doch hat Hannover jetzt sein mittlerweile viertes Shakespeare-Musical – nämlich in Form einer Bearbeitung von „Wie es euch gefällt“ mit Musik von Heiner Lürig und Texten von Heinz Rudolf Kunze. Das Autorenteam hat in den letzten Jahren schon Musicalversionen der Shakespeare-Stücke „Ein Sommernachtstraum“, „Was ihr wollt“ (unter dem Titel „Kleider machen Liebe“) und „Der Sturm“ geschaffen, die allesamt unter freiem Himmel im Gartentheater Herrenhausen aufgeführt wurden. Mit „Wie es euch gefällt“ ist man nun ins Theater am Aegi eingezogen.

Wie schon die Vorgängerstücke, ist auch „Wie es euch gefällt“ kein Musical wie man Musicals kennt. Es gibt sehr lange Sprechpassagen, sehr wenige Tanzszenen und alles erinnert doch mehr an ein Schauspiel mit viel Musik. Im dramaturgischen Ablauf hakt es an vielen Stellen, die Szenenübergänge kommen oft holprig daher und man hangelt sich von Lied zu Lied – allerdings nicht, weil die Charaktere jetzt ihre Gedanken und Emotionen unbedingt in Musik verpacken müssten, sondern weil man als Zuschauer das Gefühl nicht loswird, dass eben jetzt mal wieder ein Lied kommen muss. Das wirkt bisweilen komisch und der Szenenapplaus ist in der besuchten Vorstellung deshalb wohl auch eher verhalten.

Shakespeare hat mit Werken wie „Romeo & Julia“, „Der Kaufmann von Venedig“, „Hamlet“ oder „Othello“ wunderbare dramatische Stoffe geschaffen. Seine Komödien hingegen geben nicht viel Inhalt her, sind recht banal und immer wieder tauchen darin Frauen auf, die sich als Männer verkleiden. Warum sich Kunze und Lürig also mit „Wie es euch gefällt“ erneut für eine eher schwache Komödie entschieden haben, erschließt sich nicht.

Im Stück gibt es die verbannte und als Mann verkleidete Herzogstochter Rosalinde und ihren Geliebten Orlando, Rosalindes Cousine Celia und Orlandos bösen Bruder Oliver, den Schäfer Silvius und die von ihm verehrte Angora sowie einen Narren und die Hirtin Mechthild – vier Paare, die im Verlauf der Handlung zusammenfinden und zu der eingängigen Musik von Heiner Lürig die oft recht plump wirkenden Texte von Heinz Rudolf Kunze singen. Mag Kunze sich auf seinen zahlreichen Soloalben auch als kreativer Wortakrobat präsentieren, so kommen seine Musicals textlich einfach nicht an das Niveau seiner Platten heran. Leider.

Dargeboten wird die Handlung in einem kargen Einheitsbühnenbild von Manfred Kaderk, der eine Gerüstkonstruktion geschaffen hat, die auf mehreren Ebenen bespielt wird. Wesentlich sehenswerter sind dagegen die Kostüme von Stephan Stanisic, der sich in verschiedenen Modestilen ausgetobt hat. Dass weder die Vorlage von Shakespeare noch die Musicaladaption von Kunze und Lürig nicht viel hergeben, stellt Renate Rochell als Regisseurin vor die herausfordernde Aufgabe, das Beste daraus zu machen.

Doch von Personenführung ist nicht viel zu sehen, vielmehr überlässt Rochell die Darsteller oftmals sich selbst. Einzig bei Rosalinde ist die Charakterzeichnung gut gelungen, was Merle Hoch in dieser Rolle für sich zu nutzen weiß. Sie gibt die verbannte Einzelgängerin frech und taff, ist in ihrem Innersten aber wahnsinnig romantisch und glaubt an die Liebe auf den ersten Blick. All das visualisiert Hoch perfekt. Noch dazu singt sie geradezu fantastisch und erweist sich so als großer Lichtblick in der sich als recht zäh erweisenden Inszenierung.

Einen sympathischen Orlando, solide im Schauspiel und mit schönem Gesang, gibt Oliver Morschel. Tim Müller hat als Oliver leider nur einen vergleichsweise kleinen Part, spielt den bösen Bruder aber authentisch. Julia Steingaß kann als Celia vor allem stimmlich punkten, Judith Bloch liefert als Angora eine herrliche Darstellung, Tom Schimon agiert als Schäfer Silvius rollendeckend und Thomas Wißmann singt als Jacques mit klangschöner Stimme, während Christian Venzke als Herzog einen viel zu kleinen Part innehat.

Die ins Bühnenbild integrierte sechsköpfige Band unter der Leitung von Andreas Unsicker macht ihre Sache gut und ist der Partitur des Komponisten Heiner Lürig durchaus gewachsen. Letzterer, der persönlich die Gitarre spielt, nutzt einzelne Songs aber immer wieder, um sich mit seinem Instrument selbst in Szene zu setzen – das mag für langjährige Kunze/Lürig-Fans durchaus ein Höhepunkt sein, der Handlung und ihrer Fortschreitung dient diese Selbstinszenierung jedoch nicht.

So hinterlässt „Wie es euch gefällt“ genauso wie die Vorgängerproduktionen keinen wirklich bleibenden Eindruck. Doch immerhin die letzte Nummer im Stück ist musikalisch so mitreißend, dass das in der besuchten Vorstellung sonst eher verhalten applaudierende Publikum zum Schluss doch recht angetan scheint. Ja, die Hannoveraner lieben ihre Kunze/Lürig-Musicals anscheinend seit der Uraufführung von „Ein Sommernachtstraum“. Doch an dessen Erfolg wird „Wie es euch gefällt“ nicht anknüpfen können – zu banal ist die Story, zu uninspiriert sind Regie und Songtexte. Die fabelhaften Darsteller vermögen da nicht mehr viel zu retten. Schade.

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".