„Natürlich Blond“ (Foto: Dominik Lapp)
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Blondinen-Power: „Natürlich Blond“ in Coesfeld

Elle Woods wirkt auf den ersten Blick wie die perfekte Klischee-Blondine, hat aber viel mehr im Kopf, als es zunächst scheint. Ihre Geschichte wird in dem Musical „Natürlich Blond“ erzählt, das jetzt in einer durchweg gelungenen Inszenierung von Felix Sommer auf der Freilichtbühne in Coesfeld zu sehen ist. Basierend auf dem gleichnamigen Film, ist die Musicalfassung von „Natürlich Blond“ eine herrliche Komödie für laue Sommerabende.

Vor allem die spritzige Musik von Laurence O’Keefe und Nell Benjamin erweist sich als wunderbar ins Ohr gehender Pop-Score. Die Songs machen Spaß, sind abwechslungsreich und animieren zum Mitwippen. Besonders stimmungsvoll ist dabei zum Beispiel die poppige Eröffnungsnummer „Oh mein Gott“, der Gute-Laune-Song „Positiv“, die Up-Tempo-Nummern „Peitsch dich in Form“ und „Knick und Pop“ sowie der Titelsong. Bei allen Liedern fallen auch die gelungenen deutschen Texte von Kevin Schroeder und Heiko Wohlgemuth immer wieder positiv auf, die weder ihre Wirkung verfehlen noch den Esprit der englischen Originaltexte vermissen lassen.

Zu dem mitreißenden Hörerlebnis tragen aber auch die Darsteller bei – für eine Bühne, die ausnahmslos mit Laiendarstellern arbeitet, ist das nicht selbstverständlich. Das größte Päckchen zu tragen hat dabei in der Rolle der Elle Woods zweifellos die 16-jährige Felice Böcker, die bislang nur in den Coesfelder Kindermusicals auf der Bühne stand und jetzt zum ersten Mal in einem großen Abendstück mitwirkt. Als Elle ist sie nahezu pausenlos auf der Bühne, hat den meisten Textanteil und etliche Songs zu singen.

Mit ihrer makellosen, klangschönen und kontrastreichen Stimme liefert Böcker in ihren Soli und Duetten etliche musikalische Glanzpunkte. Darüber hinaus begeistert sie mit einer riesigen Souveränität und einer unglaublichen Bühnenpräsenz. Schauspielerisch gibt sie überzeugend die geborene Klischee-Blondine und versteht es perfekt, Elles Wandlung vom naiven Blondchen zur intelligenten und taffen Jurastudentin glaubwürdig zu vollziehen.

Zwei ihr durchaus ebenbürtige Bühnenpartner sind Sebastian Böhm als Emmett Forrest und Andreas Böker als Warner Huntington III, die mit ihren strahlenden Stimmen überzeugen können. Während Böker überzeugend den sich selbst überschätzenden Macho und Ex-Freund gibt, kann Böhm als Elles smarter Kommilitone punkten. Eine tolle Entwicklung von der hochnäsigen Schnepfe zu einer kleinen Sympathieträgerin zeigt Sandra Döring in der Rolle der Vivienne.

In der von Kati Heidebrecht energiegeladen choreografierten Nummer „Peitsch dich in Form“ schöpft Anna Hansen in der Rolle der Brooke Wyndham stimmlich und tänzerisch aus dem Vollen. Ebenso stark ist Heike Hansen als Paulette, die mit ihrer prägnanten Stimme den Song „Irland“ hervorragend intoniert und als Elles Friseurin und Freundin hervorragend mit der nötigen Prise Humor agiert. Als Professor Callahan gefällt außerdem Marcel Bücker, der seine Rolle aufgrund eines krankheitsbedingten Ausfalls in nur wenigen Tagen einstudieren musste, durch seinen charaktervollen Gesang und souveränes Auftreten.

„Natürlich Blond“ (Foto: Dominik Lapp)

Bei der Inszenierung haben Regisseur Felix Sommer und Choreografin Kati Heidebrecht sehr auf Details geachtet. Ob es die Szenenübergänge, die flotten Tanznummern oder die starken Gesangsparts sind – die Inszenierung von „Natürlich Blond“ ist vollkommen rund und zu jeder Zeit so mitreißend, dass keine Langeweile aufkommt. Vor allem aber hat Sommer viel Wert auf die Ausarbeitung der einzelnen Charaktere gelegt, so dass diese niemals als bloße Abziehbildchen in einem blond-pinken Girlie-Traum erscheinen.

Vielmehr lässt der Regisseur alle Rollen eine Geschichte erzählen und beleuchtet ihre Hintergründe und Motive. Aber auch Kati Heidebrecht fordert dem aus Hobby-Darstellern bestehenden Ensemble mehr als nur ein paar Schritte ab. Was tänzerisch bei „Natürlich Blond“ auf der Bühne passiert, ist auf einem extrem hohen Niveau und kann dem Vergleich mit einer großen Profiproduktion sicher standhalten. Insbesondere die Spielfreude und Leidenschaft ist jedem der Beteiligten auf der Bühne anzusehen, so dass die Zuschauer keine Chance haben, sich dieser Sogwirkung

Genauso sehenswert wie die Choreografie sind aber auch die zeitgemäßen und zu den Charakteren passenden Kostüme von Martina Torberg sowie das wandlungsfähige Bühnenbild von Harry Behlau und Michael Swarski, das aus einer breiten Hausfassade mit zwei Drehelementen besteht und durch fahrbare Bühnenbauten erweitert wird, so dass sich die Universität Harvard blitzschnell in einen Gerichtssaal, ein Gefängnis, Paulettes Friseursalon oder Elles pinke Studentenbude verwandelt. Insgesamt also eine richtig runde Sache in Coesfeld und definitiv empfehlenswert!

Text: Dominik Lapp

„Natürlich Blond“ (Foto: Dominik Lapp)

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".