Opernhaus Hannover, Foto: Dominik Lapp, kulturfeder.de
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Fantastisch inszeniert: „My Fair Lady“ in Hannover

„Es grünt so grün“, heißt es in dem wohl bekanntesten Song des Musicals „My Fair Lady“ aus der Feder von Frederick Loewe (Musik) und Alan Jay Lerner (Buch und Texte). Doch in der Inszenierung von Bernd Mottl an der Staatsoper Hannover grünt es so gar nicht grün – die alles dominierende Farbe ist Pink und symbolisiert gut, dass hier ein alter Klassiker in einem modernen Gewand daherkommt. Und das außerordentlich gut.

In der Leine-Metropole wird alles aufgefahren, was die Staatsoper zu bieten hat: Exzellente Sänger, ein fantastisches Orchester und eine Ausstattung, die sich hinter einer Musical-Großproduktion wahrlich nicht zu verstecken braucht. Das Bühnenbild von Friedrich Eggert zeigt im Grunde lediglich die Villa von Henry Higgins. Das klingt zunächst nicht sehr spektakulär. Ist es aber. Denn die Villa zieht sich über mehrere Ebenen und lässt die Bühnenmaschinerie ordentlich arbeiten. Gespielt wird auf dem Dach der Villa, im Obergeschoss, im Erdgeschoss, im Keller sowie in einer U-Bahn-Station. Und auch die obligatorische Pferderennbahn fehlt nicht.

Die Kostüme von Nicole von Graevenitz sind modern, passen aber zur Handlung, die man vom London des 20. Jahrhunderts in das Berlin des 21. Jahrhunderts verlegt hat. Statt vor dem Londoner Opernhaus Covent Garden, verkauft Eliza ihre Blumen jetzt in der Berliner U-Bahn-Station „Bellevue“. Regisseur Bernd Mottl hat einem oft – vielleicht zu oft – gespielten Musicalklassiker eine herrlich frische Note verpasst und die Hauptcharaktere stark gezeichnet.

Die Vorstellung selbst lässt Mottl bereits beginnen, noch während die Zuschauer ihre Plätze einnehmen: Auf der Bühne steht Professor Henry Higgins an einem Rednerpult und hält vor seinen Studierenden einen sprachwissenschaftlichen Vortrag, unterstützt von Zeichnungen, die hinter ihm an den Vorhang projiziert werden. Ein gelungener Einfall, der sogleich mit Lachern und Applaus belohnt wird („Ich glaube, Sie hören mir gar nicht zu!“).

Applaus erntet Klaus Schreiber als Higgins aber im Verlauf der Handlung noch öfter. Denn den Sprachprofessor gibt er schauspielerisch absolut authentisch. Dabei balanciert er wunderbar zwischen dem Wissenschaftler, der einem Blumenmädchen Etikette lehren möchte, dem liebevollen Herrn, der väterliche Gefühle für das Blumenmädchen entwickelt, und dem cholerischen alten Sack, der das Blumenmädchen als sein Privatbesitz betrachtet.

Als Blumenmädchen Eliza steht ihm Winnie Böwe in nichts nach. Mit herrlich rotziger Aussprache berlinert sie, was das Zeug hält, entwickelt sich aber nach und nach immer mehr zu einer richtigen Dame. Gesanglich liefert sie mit Gassenhauern wie „Es grünt so grün“ oder „Ich hätt getanzt heut Nacht“ ebenfalls Glanzleistungen und begeistert mit ihrer hellen klaren Stimme.

Mit starker Bühnenpräsenz gibt Erwin Bruhn einen wunderbar väterlichen Oberst Pickering, während Sabine Wackernagel als Mrs. Higgins vor allem im Zusammenspiel mit Klaus Schreiber göttlich agiert. Großartig sowohl im Schauspiel als auch im Gesang ist zudem Frank Schneiders in der Rolle des Alfred P. Doolittle. Mit seinem „kleenen Stückchen Glück“ sorgt er für die stimmigste Nummer des Abends, was aber nicht nur seiner Interpretation, sondern auch der Choreografie von Otto Pichler zu verdanken ist.

Uwe Gottswinter bleibt als Freddy Eynsford-Hill buchbedingt zwar ein wenig blass, singt aber mit schmachtender Stimme ein herziges „In der Straße wo du wohnst“. Als Higgins‘ Haushälterin Mrs. Pearce vermag außerdem Carola Rentz mit sicherem Spiel zu überzeugen.

Und auch musikalisch ist „My Fair Lady“ in Hannover ein wahrer Genuss: Das Niedersächsische Staatsorchester unter der versierten Leitung von Siegmund Weinmeister spielt sicher durch die eingängige Partitur von Frederick Loewe – die Melodien klingen frisch, stimmig, geradezu perfekt. Kein Wunder also, dass diese fantastische Inszenierung von „My Fair Lady“ schon seit 2009 in Hannover auf dem Spielplan steht.

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".