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Frankopop-Spektakel: „Mozart – L’Opéra Rock“ in Paris

Es ist bekannt, dass sich die Franzosen in ihren Musicals, den so genannten Spectacle Musicales, gern großen Persönlichkeiten oder großen Themen annehmen. Nach Musicals über den Sonnenkönig, die ägyptische Königin Kleopatra oder Moses widmet sich mit „Mozart – L’Opéra Rock“ im Pariser Palais du Sports das neueste Franko-Pop-Musical einem großen Komponisten, dem auch schon Michael Kunze und Sylvester Levay 1999 ein eigenes Musical widmeten: Wolfgang Amadeus Mozart.

Ein Vergleich von „Mozart!“ aus der Feder von Kunze und Levay und dem französischen „Mozart – L’Opéra Rock“ bietet sich somit mehr als an. Doch auch wenn beide Musicals das Leben des wahrscheinlich größten Musikgenies der Welt erzählen, sind sie dennoch grundlegend verschieden. Während Kunze und Levay in ihrem Musical verpoppte Klassik bewusst vermieden haben, setzt das achtköpfige Komponisten- und Autorenteam von „Mozart – L’Opéra Rock“ bewusst auf die Verschmelzung von Mozart’scher Musik und modernen Rock- und Popklängen.

Zu hören ist jedoch keineswegs bloß modern arrangierte Mozartmusik, sondern durchaus eigenständige Musik, teilweise angelehnt an Originalwerke Mozarts. Mal erklingen nur zitatweise Melodien des Salzburger Wunderknaben, mal wird ein Song mit Mozarts Kompositionen eingeleitet und mal gibt es ein komplettes Musikstück von Mozart zu hören, beispielsweise das französische Kinderlied „Ah, vous dirai-je, Maman“, das in Deutschland auch als „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ und in den USA als „Twinkle, twinkle, little Star“ bekannt ist. Die musikalische Umsetzung übernimmt dabei eine fünfköpfige Rockband, die neben der Bühne positioniert wurde, gemeinsam mit einem 13-köpfigen Klassik-Orchester, das teilweise nicht nur neben, sondern auch – die Musiker mit Puderlocken ausgestattet – auf der Bühne eingesetzt wird, wenn zum Beispiel Salonmusik oder eine Opernszene gespielt wird.

„Mozart - L'Opéra Rock“ Foto: Dominik Lapp

Wer den oscarprämierten Film „Amadeus“ von Milos Forman kennt, dürfte der Handlung von „Mozart – L’Opéra Rock“ auch ohne Französischkenntnisse folgen können. Hier unterscheidet sich das Stück ebenfalls vom Kunze/Levay-Musical. Während Michael Kunze seinem Mozart mit dem Salzburger Erzbischof Hieronymus Colloredo einen Gegenspieler gegenübergestellt hat, verkommt diese Rolle in Frankreich lediglich zur kleinen Nebenrolle, die nur zu Beginn des Stücks auftaucht.

Kunze erzählt außerdem die Abnabelung Mozarts von dessen Vater und den steinigen Weg zu einem unabhängigen Künstler. In „Mozart – L’Opéra Rock“ steht hingegen der ewige Konkurrenzkampf zwischen Wolfgang Amadeus Mozart und dem damals in Wien sehr populären italienischen Komponisten Antonio Salieri im Vordergrund – ähnlich wie im Film „Amadeus“. Dove Attia und Francois Chouquet, die Autoren des Franko-Pop-Spektakels, haben zudem Mozarts Schwägerin Aloysia Weber zu einer Hauptrolle gemacht. Ein durchaus berechtigter Einfall – so spielte Aloysia im Leben Mozarts immerhin eine wichtige Rolle, da sie in den Uraufführungen einiger seiner Opern als Solistin mitwirkte.

Auch wenn den französischen Musicals immer wieder nachgesagt wird, sie seien lediglich Pop-Einheitsbrei und würden alle ähnlich klingen, so ist „Mozart – L’Opéra Rock“ wahrscheinlich eines der besten französischen Musicals. Die Musik, eine Mischung auf Klassik, Rock und Pop, hat Ohrwurmqualität, klingt neu und innovativ. Die Songs mit Hitpotenzial wie „Tatoue moi“ laufen bereits seit Monaten im französischen Radio hoch und runter und werden mit aufwändig produzierten Musikvideos promotet. Da verwundert es auch nicht, dass das Publikum bei „Tatoue moi“ mit lautstarkem Gesang einsetzt.

Genauso frisch wie die Musik ist die Cast. Denn auch das ist typisch für die französische Musicalszene, dass man die Künstler aus früheren Musicals eher selten in anderen Produktionen zu sehen bekommt. „Mozart – L’Opéra Rock“ wartet mit sechs sehr überzeugenden Solisten auf – allen voran Mikelangelo Loconte als Wolfgang Amadeus Mozart, dem die Damenwelt nicht nur aufgrund seiner Optik erlegen sein dürfte, sondern der auch schauspielerisch wie gesanglich in Topform ist. In der Szene, in der Mozarts Mutter im Regen auf einer Pariser Straße stirbt, gibt Loconte den von Trauer und Verzweiflung gezeichneten Komponisten sehr überzeugend. In anderen Szenen hingegen gibt er seinen Mozart als überdrehten Hallodri.

Florent Mothe mimt als Antonio Salieri den Gegenspieler Mozarts herrlich fies und mit kräftiger Stimme, Solal als Leopold Mozart hingegen gibt einen herrschsüchtigen Vater ab, der immerzu versucht, seinen Sohn in die richtigen Bahnen zu lenken. Maeva Meline als Nannerl Mozart singt zwar sehr schön, bleibt schauspielerisch jedoch blass. Claire Pérot als Contanze Weber und Melissa Mars als Aloysia Weber können dagegen schauspielerisch wie gesanglich punkten – sowohl solo als auch im gemeinsamen Duett.

„Mozart - L'Opéra Rock“ Foto: Dominik Lapp

Regisseur Olivier Dahan, der seinen internationalen Durchbruch als Filmregisseur 2007 mit dem Film „La vie en rose“ schaffte, hat mit „Mozart – L’Opéra Rock“ nicht nur einfach das Leben Mozarts für die Bühne inszeniert, sondern eine rundum gelungene Unterhaltungsshow geschaffen. Eine tolle Idee, das Orchester immer mal wieder auf statt neben der Bühne einzusetzen oder Mozart teilweise marionettenartig zu zeigen, während ein Gaukler um ihn herumtanzt und im Hintergrund Leopold Mozart vor einer Feuerwand auf seinen Sohn einredet und ihn zu lenken versucht.

Die Szenen werden optisch hervorragend unterstützt durch das aufwändige Bühnenbild von Alan Lagarde, das vom Salzburger Dom über eine Schenke, eine Opernbühne und Mozarts Pariser Absteige bis hin zum Wohnzimmer der Familie Weber oder dem Tanzmeistersaal im Hause Leopold Mozarts reicht. Die detailverliebten Kostüme von Gigi Lepace sind ebenfalls eine Augenweide, vor allem Mozarts mit Pailletten bestickter Rock oder Aloysias Sternenkleid, in dem sie an die Königin der Nacht aus der „Zauberflöte“ erinnert.

Nach der Spielserie in Paris wird „Mozart – L’Opéra Rock“ noch einige Monate durch Frankreich touren und zu einem späteren Zeitpunkt sicher auch auf DVD erscheinen. Doch ob live oder nur auf DVD: Das Stück sollte man unbedingt gesehen haben, weil es eines der besten französischen Musicals ist.

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".