„Madama Butterfly“ (Foto: Dominik Lapp)
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Herausragend: „Madama Butterfly“ in Dortmund

Große Gefühle, herausragende Leistungen auf der Bühne und im Orchestergraben sowie eine große Überraschung am Ende verspricht Tomo Sugaos Inszenierung von Giacomo Puccinis Oper „Madama Butterfly“ am Opernhaus Dortmund.

Die Inszenierung von Tomo Sugao spielt in einem Fantasie-Japan, orientiert sich dabei aber stark an der gleichnamigen Erzählung von John Luther Long. Dazu hat Sugao die Handlung vom Jahr 1900 in die Gegenwart transferiert, zeigt ein klischeehaftes Japan-Bild und lässt in einem Bühnenbild von Frank Philipp Schlößmann spielen, das aus verschiebbaren Wänden – so genannten Shoji – besteht, wie man sie aus der traditionellen Architektur Japans kennt.

Diese Raumteiler übernehmen die Funktion von Schiebetüren, Fenstern und Raumteilern. Weil sie mit Papier bespannt und deshalb lichtdurchlässig sind, eigenen sie sich zudem hervorragend als Projektionsflächen für das stimmungsvolle Lichtdesign von Florian Franzen. Als Sitzgelegenheit dienen zwei Kisten, eine überdimensionale Winkekatze unterstreicht das Japan-Klischee.

Die Kostüme von Mechthild Seipel spiegeln ein schrill-buntes Japan wider. So dürfen die Chormitglieder (exzellent einstudiert von Fabio Mancini) in glitzernden Kimonos und bunten Manga-Kostümen auftreten, um immer wieder neue Selfie-Motive für den alles mit seinem Smartphone fotografierenden Marineleutnant Pinkerton zu liefern.

Doch Tomo Sugao versteht es nicht nur, wunderbare Klischeebilder zu zeichnen. Er versteht es ebenso gut, einen dramaturgisch dichten Spannungsbogen zu erzeugen und ihn bis zum Finale zu halten. So lässt er schon während der Hochzeitsnacht zwischen Pinkerton und Cio-Cio-San im ersten Akt Kate Pinkerton im Brautkleid mit US-Sternenbanner im Hintergrund auftreten. Denn obwohl der Leutnant die Nacht mit Cio-Cio-San verbringt und ihr seine Liebe schwört, reist er zurück in die USA und lässt seine „Madama Butterfly“ schwanger zurück.

„Madama Butterfly“ (Foto: Dominik Lapp)

Immer wieder blitzen in der Inszenierung amerikanische Einschübe auf. So ist Cio-Cio-Sans Zuhause mit Plakaten gepflastert, die die Freiheitsstatue und den Schriftzug „Hope“ zeigen. Ihr Sohn kommt unter einer US-Flagge hervor, trägt US-Uniform und spielt mit einer Miss Liberty in Spielzeuggröße. Eine echte Überraschung liefert der Regisseur jedoch beim Finale: Unter den verzweifelten „Butterfly“-Rufen Pinkertons öffnet sich eine Schiebetür und gibt den Blick nicht nur, wie man es erwarten würde, auf die tote Cio-Cio-San frei. Denn auch ihr Sohn liegt leblos neben ihr. Daraufhin wendet sich Kate Pinkerton von ihrem Mann ab und der Vorhang für „Madama Butterfly“ senkt sicht.

Die Wandlung von der 15-jährigen Geisha zur gereiften Frau und Mutter gelingt Anna Sohn in der Rolle der Cio-Cio-San mit Bravour. Mit ihrem eindringlichen Schauspiel vermag sie all die emotionalen Facetten ihrer Rolle zu visualisieren. Dabei gelingt ihr die Darstellung des naiven Mädchens, das auf die Rückkehr Pinkertons wartet, genauso exzellent wie die Darstellung der treusorgenden Mutter, die getrieben von Optimismus und Hoffnung schließlich doch irgendwann nur noch den Freitod als einzigen Ausweg sieht. Auch gesanglich läuft Anna Sohn zu Hochtouren auf, stemmt ihre Partie mühelos und begeistert mit Kraft und Dramatik in ihrer klaren, schön timbrierten Sopranstimme.

Andrea Shin als Pinkerton steht ihr allerdings in nichts nach. Er gibt den Marineleutnant überzeugend als unsympathischen Narzissten, der als Trophäenjäger immerzu auf der Suche nach einem neuen Selfie-Motiv oder einer Gelegenheit, sich selbst in Szene zu setzen, ist. Mit seinem strahlend-lyrischen Tenor begeistert er zudem gesanglich bis in die Höhen.

Ebenso erstklassig besetzt sind die Nebenrollen: Hyona Kim als Dienerin Suzuki und Mandla Mndebele in der Rolle des Konsuls Sharpless werden für ihre Darbietungen völlig zu Recht gefeiert, denn sie holen sowohl schauspielerisch als auch gesanglich alles aus ihren vergleichsweise kleinen Rollen raus. Rollendeckend ist außerdem Fritz Steinbacher als Heiratsvermittler Goro, wohingegen Penny Sofroniadou als Mitglied des Opernstudios NRW in der Rolle der Kate Pinkerton sogar eine echte Neuentdeckung ist.

Für ein anregendes Hörerlebnis sorgen bei „Madama Butterfly“ außerdem die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Gabriel Feltz, der mit seinem präzisen Dirigat der mitreißenden Musik Puccinis zusätzlichen Biss verleiht und seine Musiker in der abwechslungsreichen Partitur prächtig schwelgen und brennen lässt. Dieses Feuer, das dort im Orchestergraben letztlich entfacht wird, überträgt sich auf die Sänger und die Inszenierung genauso wie auf das Publikum im Dortmunder Opernhaus. Kaum verwunderlich also, dass am Premierenabend, nachdem der Vorhang gefallen ist, sofort lautstarker Applaus aufbrandet, der durch zahlreiche „Bravo“-Rufe und stehende Ovationen ergänzt wird. Ein herausragender Start in die neue Spielzeit!

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".