„Der kleine Störtebeker“ (Foto: Oliver Fantitsch)
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Vortrefflich: „Der kleine Störtebeker“ in Hamburg

„Ich will einer sein, der das entdeckt, was in mir steckt – ich bleibe stark“, singt die Titelfigur im Kindermusical „Der kleine Störtebeker“, das im Hamburger Schmidt Theater aufgeführt wird. Schon bei dieser Textzeile wird klar, dass diese „musikalische Kaperfahrt“, wie es im Untertitel des Musicals heißt, eine starke Botschaft vermitteln möchte. Ein Werk, das sich einfachsten Mitteln bedient, um eine hinreißende Geschichte zu erzählen, die Kindern wie Erwachsenen mit auf den Weg gibt, dass man stets an sich glauben soll.

Nach Stücken wie „Der Räuber Hotzenplotz“ oder „Es war einmal“ haben sich Martin Lingnau (Musik) und Heiko Wohlgemuth (Libretto) den Seeräuber Störtebeker vorgenommen und ihn zur Titelfigur eines vortrefflichen Musiktheaterstücks gemacht, da so viel mehr ist als nur ein Kindermusical. Inszeniert wurde es von Carolin Spieß, die die Story erfrischend schwungvoll auf die Bühne gebracht hat. Erzählt wird die Geschichte des kleinen Störtebekers, wie er als Waisenkind in Hamburg groß wird, auf ein Piratenschiff kommt und mithilfe der sprechenden Ratte Justin und einem mutigen Mädchen namens Theo den Kaufmann Pfeffersack um seinen Schatz bringt.

Mit dem nötigen Drive umgesetzt wird die Vorgeschichte des berüchtigten Piraten Klaus Störtebeker von sieben Darstellern in mehreren Rollen. Besonders hervorzuheben ist dabei niemand, weil alle Protagonisten gleichermaßen mit Leib und Seele spielen und singen. Aber dennoch sollen stellvertretend fürs gesamte Ensemble ein paar Namen genannt werden: Allen voran natürlich Benjamin Zobrys, der die Titelrolle so leichtfüßig und flapsig spielt und mit angenehmer Stimme singt, dass man ihm das Kind vollends abnimmt. Ihm zur Seite stehen eine fabelhafte Elena Zvirbulis als Theo – übrigens die einzige Frau im Ensemble – oder auch Götz Fuhrmann, der den Kaufmann Pfeffersack als Bilderbuch-Bösewicht mit grimmiger Miene und tiefer Stimme gibt.

Optisch sehr gut unterstützt werden die erstklassigen Darsteller durch die zeitgemäßen und schön anzusehenden Kostüme von Frank Kuder und Chrisanthi Maravelakis. Das Bühnenbild von Heiko de Boer ist sehr einfach gehalten, aber erfüllt seinen Zweck: Eine Schatzkiste, ein paar Requisiten oder ein lediglich durch ein Segel stilisiertes Piratenschiff genügen, um das Publikum mit auf die Reise ins mittelalterliche Hamburg zu nehmen.

Und wenn der kleine Störtebeker mit seinen Freunden schließlich durch Pfeffersacks Haus schleicht, um den Schatz zu suchen, deuten die weiteren Darsteller einzig durch ihren Körpereinsatz Wände und Türen an. Öffnet sich eine Tür, tritt einer der Darsteller – unterstützt durch eine entsprechende soundtechnische Untermalung – zur Seite und gewährt Einlass. Große Kulissen und Bühnentechnik sind somit gar nicht vonnöten in der liebevollen und intelligenten Inszenierung von Carolin Spieß. Vor allem versteht es Spieß perfekt, schaurige Figuren wie Pfeffersack und die Piraten so zu zeigen, dass sich Kinder nicht fürchten, aber die Charaktere für die Erwachsenen dennoch vielschichtig genug erscheinen.

Verpackt wurde „Der kleine Störtebeker“ in 15 eingängigen Melodien von Martin Lingnau, zu denen Heiko Wohlgemuth kindgerechte, aber keinesfalls beliebige Texte geschrieben hat. Songs wie die Ensemblenummer „Am Hamburger Fischmarkt“ oder Klaus‘ Solo „Ich find mein Glück“ gehen gut ins Ohr und kommen bei kleinen wie großen Zuschauern – gemessen am Applaus – richtig gut an. Und spätestens die Finalnummer „Wi snack Platt“, die sich als kleiner Plattdeutsch-Exkurs versteht und das Publikum mit einbezieht, dürfte auch griesgrämigen Pfeffersäcken ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".