„Elisabeth“ (Foto: VBW / Showfactory / Herwig Prammer)
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Konzertantes Open-Air: „Elisabeth“ in Wien

Die Kaiserin ist zurück in Wien zu ihrem Rendezvous mit dem Tod. Das Musical „Elisabeth“ von Sylvester Levay (Musik) und Michael Kunze (Buch und Text) ist für zwei konzertante Aufführungen in die Stadt zurückgekehrt, in der das Stück 1992 zur Uraufführung kam. Als Musical am Originalschauplatz zeigen die Vereinigten Bühnen Wien „Elisabeth“ erstmals im Ehrenhof vor Schloss Schönbrunn – unter freiem Himmel, vor rund 11.000 Zuschauern. Auch 27 Jahre nach der Uraufführung wird schnell klar, dass dieses Musical nichts an Faszination und Brillanz eingebüßt hat.

Wie es bei einer konzertanten Aufführung üblich ist, wird das Stück ohne Bühnenbild aufgeführt. Dafür wurde aber das Orchester auf der Bühne platziert. Und so ganz konzertant ist es dann doch nicht. Denn die Darsteller treten in Kostümen von Yan Tax auf und Regisseur Gil Mehmert sowie Choreograf Simon Eichenberger lassen die Künstler miteinander agieren und haben ein gutes – wenn auch nicht immer ganz stimmiges – Staging entwickelt. Somit ist diese konzertante Fassung von „Elisabeth“ schon eher halbszenisch als rein konzertant. Wer sich zudem an die letzte Tourproduktion des Musicals erinnert, wird sicher nicht viel vermissen, denn auch dort kam das Stück mit relativ wenig Bühnenbild aus.

Und das ist auch gar nicht mal so schlecht, denn vor der gewaltigen Kulisse von Schloss Schönbrunn wird deutlich: „Elisabeth“ ist ein musikalisch und dramaturgisch so perfektes Musical, dass es ohne Bühnenbild durchaus bestehen kann, zumal Story und Charaktere so wesentlich mehr Raum erhalten. Trotzdem kommt der Eventcharakter bei dieser konzertanten Aufführung nicht zu kurz: Bei der Krönungsszene fahren Elisabeth und Franz Josef mit einer Kutsche vor, die von vier Schimmeln gezogen wird. Außerdem dient ein leuchtender Türrahmen in der Bühnenmitte als Auftrittsort und eine Showtreppe als Spielfläche. Als besonderes Schmankerl tritt Komponist Sylvester Levay für Elisabeths großes Solo „Ich gehör nur mir“ ans Dirigentenpult und übernimmt für diese eine Nummer den Taktstock von Michael Römer.

Die Inszenierung von Gil Mehmert ist nahezu gänzlich darauf ausgelegt, dass die Szenen auf große Leinwände übertragen werden, so dass auch die Zuschauer in den hinteren Reihen die Mimik und Gestik der Darsteller noch erkennen können. Ärgerlich dagegen sind jedoch etliche Kürzungen und Streichungen von Szenen, was es schwermacht, der Handlung zu folgen – insbesondere dann, wenn sich ein Lied auf etwas bezieht, das normalerweise in der vorherigen, aber leider gestrichenen Szene erzählt worden wäre. Musikalisch setzt dafür das 35-köpfige Orchester unter der Leitung von Michael Römer einen echten Maßstab und glänzt von der ersten bis zur letzten Note von Sylvester Levays Partitur.

Letztendlich steht und fällt ein Stück wie „Elisabeth“ aber mit der Besetzung. Und die ist bei der konzertanten Aufführung in Wien wirklich stark. Mit Pia Douwes als Elisabeth und Viktor Gernot als Franz Josef hat man zwei Schwergewichte des Musicals engagiert, die schon 1992 bei der Uraufführung in diesen Rollen auf der Bühne standen. Zwar sind sie mit 54 Jahren mittlerweile eigentlich zu alt für ihre Parts, doch aus nostalgischer Sicht ist es geradezu genial, dass man beide engagiert hat. Natürlich geht Pia Douwes nicht mehr als 16-jährige Sisi durch, doch steht ihr dafür die alte verbitterte Kaiserin umso besser zu Gesicht. Zudem vermag sie gesanglich immer noch zu überzeugen, wofür sie vom Publikum völlig zu Recht gefeiert wird. Viktor Gernot spielt und singt als Kaiser rollendeckend und harmoniert sehr gut mit Douwes. Insbesondere dem Duett „Boote in der Nacht“ verleihen beide Solisten eine unglaubliche Tiefe.

Mark Seibert ist als Tod unglaublich sexy und verführerisch und singt tadellos. Dass sich Elisabeth auf ein Rendezvous mit dem Tod einlässt, ist somit nur allzu gut nachvollziehbar. Eine echte Entdeckung ist jedoch David Jakobs, der als Luigi Lucheni die stärkste Leistung des Abends bringt. Als Erzähler führt er durch den Abend, kommentiert süffisant und singt mit unbändiger Kraft. Seine Nummern „Kitsch“ und „Milch“ – letzterer Song zusammen mit dem Ensemble – sind Highlights der Aufführung. Rollendeckend agiert aber auch Daniela Ziegler als kalte Erzherzogin Sophie, während Lukas Perman souverän den Kronprinzen Rudolf als aufmüpfigen Revoluzzer mit gefühlvoller Stimme gibt. Kein Wunder also, dass das Publikum zum Schluss stehende Ovationen spendet.

Text: Matilda Falke

Matilda Falke hat Germanistik studiert und ein Volontariat absolviert. Seit mehreren Jahren ist sie als freie Journalistin und Texterin tätig.