„Dracula“ in Detmold, Foto: Jochen Quast
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Sehenswerter Gothic-Horror: „Dracula“ in Detmold

Immer mehr Musicals, die von den großen Musicalproduzenten nicht oder nicht mehr beachtet werden, kommen erfreulicherweise an deutschen Stadt-, Staats- oder Landestheatern auf die Bühne. So hat jetzt auch das Landestheater Detmold in diesem Jahr eine äußerst sehenswerte Neuinszenierung von Frank Wildhorns Musical „Dracula“ auf dem Spielplan.

Die Inszenierung von Lars Helmer ist im Stil eines Gothic-Horror-Films der 1930er Jahre gehalten. Dies wird auch durch Projektionen visualisiert wird, die dazu dienen, einige Szenen und Figuren in der für diese Filme typischen Schriftart zu beschreiben. Im Fokus der Inszenierung stehen erfreulicherweise die Charaktere und deren Entwicklung, während die Ausstattung eher spärlich, aber absolut ausreichend und passend ausgefallen ist.

Das Bühnenbild von Kay Anthony erdrückt somit die Darsteller nicht, sondern lässt ihnen genug Raum zur Entfaltung. Es gibt keinen Bühnenbildbombast, aber die Handlungsorte wie Draculas Schloss, eine Irrenanstalt, verschiedene Zimmer, ein Bahnhof und auch ein Zugabteil werden durch Möbel, Requisiten und kleinere Bühnenteile in Verbindung mit den Projektionen wunderbar angedeutet. Die zahlreichen Szenenwechsel werden dabei sehr intelligent durch zwei Stoffbahnen ermöglicht, die sich abwechselnd von der einen zur anderen Bühnenseite bewegen, so dass dahinter schnelle Umbauten stattfinden können, während im vorderen Bühnenbereich die laufende Szene weiterspielt.

Ebenso prächtig wie zeitgemäß und wunderbar die Charaktere unterstreichend, sind zudem die Kostüme von Torsten Rauer ausgefallen. Einen weiteren Glanzpunkt des Abends setzt das Orchester unter der Leitung von Hye Ryung Lee, die ihren Musikern ordentlich einheizt. Mit dem nötigen Druck jagen diese durch die Wildhorn-Partitur und sorgen für ein sattes Klanggewand.

Bei der Darstellerriege wechselt sich eine exzellente Stimme mit der nächsten ab und auch schauspielerisch agieren alle Mitwirkenden absolut auf den Punkt. Besonders positiv hervorstechen können die Damen: Angelina Biermann ist schauspielerisch wie gesanglich hinreißend als Mina Murray, während ihr Katrin Merkl als Lucy Westenra in absolut nichts nachsteht. Beide Damen meistern ihre anspruchsvollen Gesangsparts mit Bravour und ziehen das Publikum mit ihren starken wohlklingenden Stimmen in ihren Bann. Schauspielerisch gelingt es Angelina Biermann, ihrer Mina ein wirksames Profil zu verleihen und eine starke Frau zu zeigen, die letztlich doch nicht stark genug ist, um sich Dracula zu entziehen. Katrin Merkl kann dagegen vor allem nach Lucys Transformation zum Vampir mit ihrem Schauspiel punkten.

Lucius Wolter hat als Dracula ein ordentliches Päckchen zu tragen, was er erstklassig zu nutzen weiß. Er trägt in seiner Rolle nicht nur das ganze Stück, sondern ist in vielen Szenen auf der Bühne und hat etliche Songs zu singen. Schauspielerisch agiert er dabei äußerst solide und überzeugend, weil es ihm gelingt, Dracula einerseits als charismatisches Monster und doch als verzweifelte und nach Erlösung bettelnde Seele darzustellen. Auch gesanglich kann Wolter mit jedem seiner Songs ein Feuer entfachen, wofür er mit starkem Applaus bedacht wird.

In der Rolle des Irrenhaus-Patienten Renfield gelingt Sebastian Smulders eine auffallend grandiose Darstellung und auch Julian Culemann vermag seinem Jonathan Harker ein ordentliches Profil und eine geschmeidige Stimme zu verleihen. Sein Zusammenspiel und die gesangliche Harmonie mit Angelina Biermann als Mina gelingt geradezu perfekt. Als heimlicher Star der Inszenierung erweist sich jedoch Udo Eickelmann in der Rolle des Vampirjägers Van Helsing, der wie ein Abbild von Sherlock Holmes mit Mimik und Gestik, aber auch gesanglich alles aus seinem dankbaren Part herausholt.

Letztendlich können gleichwohl die gelungene Inszenierung und die starke Leistung von Cast und Orchester nicht über eine Schwäche hinwegtäuschen, die „Dracula“ leider hat – das Buch von Don Black und Christopher Hampton. Bedauerlicherweise halten sich die Autoren nämlich immer wieder an eher unwichtigen Szenen auf, die die Handlung nicht vorantreiben und schaffen es außerdem nicht, die Liebesgeschichte zwischen Mina und Dracula glaubwürdig zu entwickeln. Aber nichtsdestotrotz bleibt Wildhorns „Dracula“ am Ende ein beachtenswertes Musical, das man in Detmold nicht verpassen sollte.

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".