Thomas Hohler, Foto: Dominik Lapp
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Interview mit Thomas Hohler: „Ich bin künstlerisch gereift“

Auf der Musicalbühne ist Thomas Hohler ein gefragter und von Regisseuren wie Zuschauern gleichermaßen gern gesehener Gast. In den vergangenen Jahren spielte er zahlreiche Rollen in bekannten Musicals, darunter „3 Musketiere“, „Mozart!“, „Elisabeth“ oder zuletzt „Shrek“. Im Interview spricht der vielseitige Musicaldarsteller über Rollenarbeit, seinen Bezug zur Freilichtbühne Tecklenburg, den Esel in „Shrek“, aber auch über Rollen in vergangenen und kommenden Musicals.

Seit 2010 sind Sie regelmäßiger Gast auf der Freilichtbühne in Tecklenburg. Was verbinden Sie mit Tecklenburg?
Die Liste ist so lang, dass ich sie gar nicht im Einzelnen aufzählen kann. Zu jedem Stück, das ich in Tecklenburg gespielt habe, habe ich noch sehr gute Erinnerungen und eine persönliche Verbindung, weil man in dem Ort einfach so viel Zeit verbringt. Ein Beispiel: Als meine Frau und ich dieses Jahr einen Tag vor Probenstart mit dem Auto in Tecklenburg ankamen, sind wir auf den Parkplatz vor unserer Wohnung gefahren und da war plötzlich so ein Gefühl des Ankommens. Als würde man zu Hause in die eigene Garage fahren. Man kennt den Ort blind. Ich könnte mit verbundenen Augen durch Tecklenburg gehen und fühle mich in dem Ort sehr zu Hause.

In „3 Musketierehaben Sie sich damals als stürmischer DArtagnan dem Tecklenburger Publikum vorgestellt. Welche Entwicklung haben Sie seitdem durchgemacht?
Das ist eine wirklich schöne Frage, die ich mir selber noch gar nicht gestellt habe. Ich bin auf jeden Fall wesentlich reifer geworden. Das Jugendlich-Stürmische, das D’Artagnan damals hatte und das ich auch als Künstler hatte, ist heute etwas anders. Ich kann mir meine Energie besser einteilen. Was ich auf der Bühne mache, kann ich mittlerweile etwas besser dosiert und ruhiger von mir geben. Ich kann mir über Rollen inzwischen viel mehr Gedanken machen und bin künstlerisch sehr gereift.

Sie haben ein breites Rollenspektrum, haben sowohl dramatische als auch witzige Rollen gespielt. Gibt es etwas, das Ihnen besonders liegt oder sind Sie ein Allrounder?
Wenn wir das Tanzen ausklammern, würde ich mich als Allrounder bezeichnen. (lacht) Man sagt, im Musical sind diejenigen Allrounder, die alle drei Sparten gleich gut bedienen können. Also Gesang, Schauspiel und Tanz. Das trifft bei mir leider nicht zu, weil das Tanzen bei mir etwas hinterherhinkt. Aber was das Fach angeht, sehe ich mich schon als Allrounder – auch weil mir beides, also Komödiantisches wie Dramatisches, gleich viel Spaß macht. Ich habe eine Leidenschaft für beide Genres. Wenn man leidenschaftlich ans Drama geht, kann man dies besser, wenn man leidenschaftlich an die Comedy geht, kann man das besser. Und da mache ich keinen Unterschied. Zum Glück funktioniert beides bei mir und fällt mir leicht. Manchmal ist es so, dass mir eine Rolle angeboten wird, wo ich echt Angst bekomme. Der Esel in „Shrek“ war so eine Sache. Als mir das anvertraut wurde, habe ich schon so was wie Muffensausen bekommen. Ich war mir nicht sicher, ob ich das kann. Und dann war ich ganz glücklich, dass es funktioniert hat.

InShreksollten Sie ursprünglich als Lord Farquaard zu sehen sein, haben aufgrund eines Krankheitsfalls jedoch den Esel übernommen. Hatten Sie Farquaards Texte schon einstudiert und mussten letztlich alles über den Haufen werfen?
Ich hatte mir den Farquaard schon angeschaut und mich auch so ein bisschen in die Rolle reingeworfen. Aber ich bin sowieso nicht derjenige, der am ersten Probentag schon den kompletten Text auswendig kann. (schmunzelt) Ich bin einfach schlecht im Auswendiglernen. Das gebe ich offen zu.

Oh, das würde man jetzt gar nicht denken von einem Bühnenkünstler.
Das ist richtig. Aber ich mag es, wenn sich etwas während der Probenzeit entwickelt. Mir ist es wichtig, etwas frisch zu erschaffen. Wenn ich fünf Monate lang immer dieselben acht Sätze auswendig lerne und immer wieder sage, dann kann ich sie später auch nur noch so abrufen. Wenn ich es dagegen in der Probe entwickle, kommt das eine direkt zum anderen.

Thomas Hohler, Foto: Dominik Lapp

Gibt es irgendeinen Voroder Nachteil, dass Sie letztendlich den Esel statt Lord Farquaard gespielt haben? Zumindest konnten Sie so Ihre Knie schonen.
Ich habe meine Knie geschont, das stimmt. Aber die Stimmbänder oder besser gesagt das Artikulationswerkzeug habe ich dafür strapaziert. Nach einer „Shrek“-Vorstellung habe ich mich manchmal echt gefühlt, als hätte ich eine wunde Zunge, weil der Esel so viel plappert. Allerdings kann ich es gar nicht sagen, ob das jetzt Vor- oder Nachteile hatte mit der Umbesetzung. So sehr ich auch Schiss hatte vor dem Esel, war ich letzten Endes doch sehr glücklich damit, wie ich diese Rolle zusammen mit Ulrich Wiggers (Regie) und Kati Heidebrecht (Choreografie) entwickelt habe. Den Farquaard hätte ich trotzdem gern gespielt, weil ich den Part extrem lustig finde. Allerdings finde ich, dass Robert Meyer absolut perfekt war in der Rolle. Bei der Konzeptionsprobe, als wir das Stück erst einmal nur gelesen haben, wusste ich sofort, dass das super wird und wir einen richtig guten Farquaard in der Show haben werden.

Als Dimitri imSchuh des Manituund Esel inShrekhaben Sie nicht nur Ihre komödiantische Seite ausspielen können, sondern wurden auch immer vom Publikum gefeiert. Nimmt man das als Künstler auf der Bühne überhaupt wahr, eine Art Publikumsliebling zu sein?
Absolut. Das nehme ich schon wahr. Ich glaube, es würde auch nicht funktionieren, wenn man das auf der Bühne nicht merken würde. Man nimmt die Stimmung des Publikums mit und spielt in gewisser Weise mit dem Publikum. Der Begriff Publikumsliebling kreist mir dabei aber nicht im Kopf herum. Ich freue mich sehr, wenn ich für mein Wirken positiven Zuspruch bekomme. Das ist echt geil. Dafür machen wir Künstler das ja auch. Die Leute kommen und wollen Spaß haben und wir bieten ihnen diesen Spaß.

Sie haben auch schon historische Rollen wie Mozart oder Kronprinz Rudolf gespielt. Auf solche Rollen kann man sich ja ausgiebig vorbereiten, da es genug Material gibt. Wie bereitet man sich denn vor, wenn man einen Esel spielt?
Geile Frage! (lacht) Also ich habe keine Tiere studiert, aber ich habe mir den Film angeschaut. Und im Internet habe ich mir tatsächlich Videos von Eseln angesehen, um noch mal zu hören, wie ein Esel ein I-ah macht. Aber das kann man nicht wirklich als Vorbereitung betrachten. Das lief eher so nebenher. Mal kurz reingeschaut, das war’s. Es lief letztendlich darauf hinaus, dass ich mir den Film noch mal angeschaut habe. Den habe ich als Jugendlicher schon geliebt und fand da den Esel bereits klasse. Außerdem habe ich das Stück in Düsseldorf gesehen, wusste also, wie man als Mensch einen Esel spielen kann. Wenn ich mich auf eine Rolle vorbereite, egal ob Esel oder historische Rolle, ist für mich viel wichtiger, welche Aufgabe die jeweilige Figur im Stück hat. Das ist viel wichtiger, als zu wissen, wann Mozart geboren wurde und was er alles komponiert hat. Und der Esel muss kindisch sein, der muss naiv sein, der muss diese kindliche Unschuld haben, der muss Schabernack machen und der muss sympathisch sein. Er muss quirlig sein und Shrek so richtig auf die Nerven gehen. Der Esel hat ganz viele Funktionen – wenn man sich diese Funktionen bewusstmacht, entwickelt man die Rolle auch entsprechend.

Warum will der Esel eigentlich unbedingt mit Shrek befreundet sein?
Weil der Esel sofort den weichen Kern in Shrek erkennt. Ich hatte ja schon gesagt, dass der Esel kindisch sein muss und eine kindliche Unschuld in sich trägt. Und bei Kindern ist es ja auch so, dass sie ganz schnell entscheiden, ob sie einen Erwachsenen mögen oder nicht. Das ist Intuition. Die riechen das. Und der Esel riecht auch sofort, dass Shrek gut ist. Er lässt sich nicht von Äußerlichkeiten abschrecken und ist ganz vorurteilsfrei. Dieses Motto „Freie Fahrt für Freaks“ hat Regisseur Ulrich Wiggers ganz hervorragend herausgestellt – es geht um die inneren Werte und darum, uns alle so zu akzeptieren, wie wir sind.

Mit den MusicalsElisabethundMozart!“ haben Sie sogar schon in Shanghai gastiert. Was ist Ihnen aus dieser Zeit besonders in Erinnerung geblieben, auch im Hinblick auf das Publikum dort?
Der Fankult dort ist ganz besonders. Die Zuschauer sind interessiert und saugen alles auf. Ganz witzig war aber der Schlussapplaus. Der Applaus wurde immer weniger, weil irgendwann 2.000 Leute ihre Handys in den Händen hielten und fotografiert und gefilmt haben. Das war mir vor allem bei „Elisabeth“ aufgefallen. Als wir später mit „Mozart!“ dort waren, habe ich das schon nicht mehr so extrem wahrgenommen. Aber echt beeindruckt hat mich, wie interessiert die Leute dort sind. Da haben teilweise Fans am Bühneneingang gewartet, die keine Autogramme wollten, sondern Fragen zum Stück notiert hatten, die wir Künstler ihnen beantworten sollten. Da waren tolle Fragen dabei – zum Beispiel, warum Rudolf sauer auf seinen Vater ist. Was sie in der Show nicht verstanden haben, wollten sie hinterher von uns wissen. Wirklich sehr beeindruckend.

Thomas Hohler, Foto: Dominik Lapp

Wenn man eine historische Persönlichkeit spielt, nimmt man da auch etwas Tiefergehendes mit? Sei es Wissen über die Person oder eine besondere Verbindung zu der Person.
Na klar. Durch solche Rollen ist mein historisches Interesse gewachsen. In Wien hätte ich sicher nicht so viele Ausstellungen oder Schauplätze besucht, wenn ich nicht in „Elisabeth“ gespielt hätte. Das ist eine schöne Erweiterung des Horizonts. Bei „Mozart!“ war es ähnlich. Man hört die Musik von Mozart intensiver und anders, geht dann in die Oper und sieht „Die Zauberflöte“ mit anderen Augen.

Als nächstes werden Sie im Wolfgang-Petry-Musical „Wahnsinn“ als Tobi auf der Bühne stehen. Wer ist Tobi?
Tobi ist ein junger Typ, der gerade die Schule abgeschlossen hat. Wenn es nach seinen Eltern ginge, soll er jetzt ins gutbürgerliche Berufsleben starten. Tobi ist aber passionierte Sänger, Musiker, Gitarrist und hat überhaupt keinen Bock darauf. Er will Musiker werden und da seinen Traum verwirklichen.

„Wahnsinn“ wird im Theater am Marientor in Duisburg seine Uraufführung erleben. Genau in diesem Haus haben Sie erstmals auf der Bühne gestanden, als Sie vor vielen Jahren den Gavroche in „Les Misérables“ spielten. Was ist das für ein Gefühl, wieder an diesem Haus zu sein?
Auf der einen Seite ist es einfach witzig, auf der anderen Seite macht das auch was mit einem. Das ist, als würde ich in mein Theater-Zuhause kommen. Das ist mein Hafen. Ich komme hier in den Saal und denke: Krass, den kenne ich schon so lange! Hier hat alles angefangen. Das gibt einem auch ein bisschen so das Gefühl von Sicherheit. Hier bin ich zuhause, hier ist mein Heimathafen. Das ist ganz cool.

Und welchen Bezug haben Sie zu Wolfgang Petry und seiner Musik?
Ich gebe ganz offen zu, dass ich vorher nicht der größte Wolfgang-Petry-Fan mit Postern an der Wand war. Überhaupt nicht. Aber natürlich komme ich gebürtig aus dem Ruhrgebiet und Songs wie „Ruhrgebiet“ und „Wahnsinn“ ist bei uns das Standard-Repertoire auf jeder Party. Wenn die Stimmung gut ist, singen wir das alle mit und hüpfen herum. Zur Musik von Wolfgang Petry habe ich also einen ganz guten Bezug. Und ich muss jetzt auch sagen, dass ich in Bezug auf das Musical intensiver in die Musik reingehört habe und sehr überrascht war, wie viele Lieder mehr ich sogar noch kannte. Man kennt irgendwie alle Lieder, das ist wirklich unglaublich. Außerdem habe ich gemerkt, was für ein irreguter Sänger er ist. Ich darf ja den einen oder anderen Song in der Show zum Besten geben und das ist gar nicht so einfach. (lacht)

Sie waren bislang auf dramatische, aber auch komödiantische Rollen abonniert. Ist es für einen Musicaldarsteller jetzt eine besondere Herausforderung, Schlager zu singen?
Ja und nein. Ich glaube, die Schlagermusik ist mit dem modernen Musical gar nicht so fachfremd – musikalisch betrachtet. Bei Schlager ist es immer so, dass wir ihn als diesen identifizieren, wenn wir einen bestimmten Schlagzeugsound und Synthesizer darunter haben. Aber wenn man nur kompositorisch rangeht, ist das Musical manchmal gar nicht so weit von Schlager entfernt. Insofern ist die Umstellung nicht so groß. Was ich jetzt einfach sehr spannend finde, ist, dass es eine Uraufführung ist. Und dass ich mal wieder die Gelegenheit habe, beim Erschaffen eines Stücks und einer Rolle hautnah mit dran und auch daran beteiligt zu sein. Das ist für einen Darsteller wie ein Ritterschlag. Danke, dass ich das machen darf!

Interview: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".